Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 28. und 29. November 1806, Freitag und Sonnabend
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Thieriot! Bei uns gehts kontribuzionsmäsig zu und also nicht gar zu gut .
Dennoch will ich Dir schreiben und Dir sagen, daß, kann ich nur alles aufbringen, ich immer ruhig bleibe.
Aber ich will nur sehen, wo der arme Ort und das arme Land das Geld hernehmen und auftreiben?
Lernen kann man vieles dabei, wenn es so drunter und drüber im Deutschlande, Gott hab' es selig, zu geht.
Mir ist es ordentlich Recht, so derb vom Kriege ergriffen zu werden, denn man denkt sich dieses Übel immer nicht übel genug – solange man sichs blos nur denkt.
Alter, mich trift die Last des Krieges mehrfach; aber ich bin mit dem Lastträger wohl zufrieden.
Es ist möglich, daß ich viel verliere; aber ich benehme mich ganz ordentlich bei dieser |2 Möglichkeit.
Bin ich auch oft nicht zufrieden mit mir: so bin ich es doch wieder bisweilen, wenn ich mich vergleiche mit andern, ja selbst mit mir.
Deinen 7ten und Deinen 17-19ten hab' ich.
Habe Du Dank für Deinen klaren, festen, kräftigen, menschlichen, ruhigen, treuen, klugen, liebenden Bruder !
Seine Lebensansicht gefällt mir und auch seines Lebens ausdruck.
Ich wüßte nicht, was er von Dir noch brauchen könnte, oder sonst von einem; aber wohl könntest Du und ich Manches von ihm gebrauchen, ohne Deinen u meinen Schaden.
Von unserm Otto wissen wir noch immer nicht mehr, als was Du uns geschrieben ; wir sind um ihn gekommen ohne zu wissen wie.
Könntest Du uns das Blatt vom Journ. de Fft. schicken, oder wenigstens einen deutlichern Auszug davon, Du würdest uns einen Gefallen thun.
Möchte er wohl und bald bei uns seyn!
|3 Hier glaubt kein Mensch an diese Nachricht, weil keiner dieses Blatt gesehen haben will.
Alle Offiziere unserer Anspacher und Bayreuther Regimenter sind wieder bei uns, nur wenige ausgenommen, die geblieben oder mit nach Frankreich transportirt werden –; von Allen weiß man ihren Aufenthalt, nur von Otto allein weiß man nichts .
Unsre einzige Hofnung ist, daß er sich bei der kleinen Königsarmee befindet, von der wir hier keine Nachricht bekommen können.
Von der armen Goldschmidt hab' ich traurige Nachrichten aus Berlin.
Die gute Voigt hat mir eine Mütze mit Buchstaben also auch ein T gestrickt .
Richters sind gesund, Jette auch, die Amöne auch und betrübt.
Uhlfelder ist der und Dein alter Uhlfelder. Ich mußte ihm erlauben Deines Bruders Brief seinen Kindern vorlesen zu dürfen. Wie lebst denn Du eigentlich? Was treibst denn Du u was Dich? Hast Du diesen Winter ausgesorgt?
|4 Grüß mir die Eva.
Sag ihr's, daß es mir leid thät, daß wir morgen schon den Dezember sehen müßten und wir zwei uns noch nicht gesehen hätten.
Leb, gut lebe, Alter!
Ich wills so gut ich kann.
Dein Emanuel
N.S. Sollt' ich einen Sarg heute oder morgen brauchen: so soll ihn mir niemand als Dein Rupertus Stark liefern.
Sonst bin ich vorderhand mit den nöthigsten Möbeln versehen.
Also mein Haus ist – bei ihm – bestellt. Das Maas hast Du auch schon an Deiner Wirthsstube, von der Du mirs geschickt hast .
Zitierhinweis
Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 28. und 29. November 1806, Freitag und Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1744