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Als ich kürzlich 4 Tage in Rehau war – ich mußte 14 dort aushalten – bevor ich nach Döhlau ging – fand ich mein von Dir erhaltenes Balsamglas (in einer Schachtel gut verwahrt gewesen) zerbrochen und ¾ ausgelaufen.

Das ganze Zimmer – in dem ich ihn hatte roch stark davon und ich war sehr betrübt, sehr bestürzt.

Entweder die große Kälte hat das Glas zertrieben oder die Arznei selbst oder – was ich bezweiflen muß – es hat jemand die Schachtel von ihrem Stande herabgestürzt.

Kurz ich war sehr unruhig; sammelte was ich davon retten konnte und wollte Dir es schreiben.

Am andern Tag bekam ich beiliegenden 2ten Brief v. meinem alten Voigt und mit diesem Augenblick auch meine Ruhe wieder.

Der Mensch denkt, Gott lenkt.

|2 Von jedem Aberglauben frei, glaub' ich dennoch an manches Aber was der Zufall mir in Weg legt – als an einen Wink der Vorsehung.

Mein Vorsatz wurde nun in diesem Glauben fest gesetzt: vor der Hand nichts zu thun.

Die gute Voigt rieth mir, in einem besondern Brief , gänzlich von dieser Kur ab: ich glaube nicht daß sies ohne oder gar wider Mann und Sohn gethan.

Mein Thieriot. Giebt uns Gott in diesem Winter Friede und Ruhe und ich kann abkommen: so komm' ich zu Dir und sehe was zu thun ist.

Indeß drück' ich Dich, Du mein treuer Freund und mein ewiger und reiner an meine für Dich stets laut schlagende Brust und danke Dir glühend für Deinen Willen und Deine Thaten. Ich kann Dirs jetzt nicht genug sagen, wie ich Dich lieb habe.

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth im Dezember 1807 (?). In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1786


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Bl. 8°, 2 S.


Korrespondenz

Zur Datierung: Die berichteten Ereignisse (kaputtes Balsamglas) fanden in Rehau statt, wo sich Emanuel laut seiner Briefe vom 28. Oktober bis zum 11. November 1807 zur Kur aufhlielt, jedoch ist er zum Zeitpunkt der Briefabfassung mindestens schon auf sein Landgut in Döhlau weitergereist, wo er bis zum 27. November blieb, bevor er nach Bayreuth heimkehrte. Der Brief stammt also frühestens vom 11. November 1807, jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass er erst zusammen mit dem Brief vom 3. und 4. Dezember 1807 gesendet wurde. In diesem Brief bedauert Emanuel nämlich, lange nicht geschrieben zu haben, was es bei den langen Frequenzen der Korrespondenz im Herbst 1807 unwahrscheinlich macht, dass er innerhalb der drei Wochen zuvor schon einen Brief gesendet hat. Auch am 25. Oktober 1807 hat Emanuel zwei separate Briefe an Thieriot verfasst, mutmaßlich um den Teil, der von seinen körperlichen Befindlichkeiten handelt, von demjenigen zu separieren, der auch Dritten vorgelesen und weitergegeben werden konnte. Für die Vermutung einer gewünschten Diskretion gegenüber den Körper betreffenden Briefen spricht auch, dass von dem vorliegenden, Emanuels Ohrenleiden betreffenden Brief und dem Brief vom 25. Oktober über gesundheitliche Themen jeweils keine Abschriften von Emanuels eigener Hand vorliegen, wie sonst von seinen allermeisten Briefen, auch den beiden unverfänglichen Geschwisterbriefen vom 25. Oktober und vom 3. und 4. Dezember 1807.