Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Stuttgart, 6. April 1808, Mittwoch

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Du bist der Emanuel und ich habe Dich herzlich lieb u. Alles ist mir an Dir recht und ich muß Dirs nur einmal sagen.

Wenn ich Gott für etwas preise, so ists für die Gabe der Eigenthümlichkeiten, daß er mich die Eigenthümlichkeiten in Tonstücken, Menschen, so zu erkennen würdigt, daß ich es ihnen nicht übel nehmen kann wenn sie mich umbrächten, ich aber wenig umzubringendes sehe. Ja ich preise Gott für meine Schwäche weil ich sie einmal habe.

Ich schreibe alternirend im Gehen im warmen Luftbad an Dich u. Eva.


Ich las neulich von einem Weinberg bei Danzig, d. i. dem nördlichsten, den's giebt. Es ist zu begreifen, daß da die Trauben nicht einmal alle paar Herbste einmal gedeihen.

Ein Freund auf dem Lande schreibt an den Weinbergbesitzer, er solle ihm ums Himmelswillen von seinem nächsten Most 1 Bouteill schicken. – Der Wein gedeieht h nicht. Der Besitzer denkt, ich will ihm dieses Jahr keinen schicken – und denkt, jener solls merken warum .....

Jener schreibt, er habe keinen Most bekommen – er bitte um Himmelswillen und den nächsten Most. 1 Bout.

Der Wein geräth wieder nicht. Damit aber der Bekommer das Nichts nicht mißverstehe, schreibt der Sender, der wein sey nicht gerathen, und er stehe für nichts, so lange der Wein |31 nicht gerathen. Der Empfänger schreibt wie toll, was das wäre, er hätte keinen Wein bekommen. 1. Bouteille.

Da es jener nicht merken will, denkt nun dieser (als das dritte Jahr der Wein wieder nicht geräth) ich schick ihm wirklich ein paar saure Tropfen – sie sollen ihm nur auf der Zunge Zeugen stellen daß er daß Gesöff nicht mag.

Was das wäre – er hätte nur in einer 32tel Halb-Schoppen-Bouteille das wenigste bekommen u. etwas Gutes wär's ohnehin nicht gewesen, er ersuche u. bitte für den nächsten Herbst nun 1. Bout.

Da denkt der Weinbergbesitzer: Nichts – denn eine Flasche will u mag er ihm nicht schicken – und denkt, wenn der Weinliebhaber (er kann Mostlieb heißen) nur halb Gott so bittet wie ich mich und wie ich und der liebe Gott kann er machen. So kriegen ich und er Wein auf das nächste Jahr, und es kräht kein Hahn nach noch einmal Sonnenschein darum, auf das nächste Jahr. 1 Bout.

Haben sie nun noch gedroht u gescherzt dabei, ich weiß nicht.

So war zehen Jahr Mißjahr.

Es kann auch seyn, es war ein junger Weinberg, der mich nicht trägt. Ich weiß nicht, wie's war.


Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Stuttgart, 6. April 1808, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1797


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Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 2, S. [30]–[31].


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 25. April 1808