Von Johann Arnold Kanne an Paul Emile Thieriot. Göttingen, 29. Oktober 1808, Sonnabend

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Göttingen den 29ten 8ber 808

Aus Deinen kurzen Worten hab ich ersehen, daß Du mich noch liebst, mein guter Junge

Mir gieng ein schönes Licht mehr auf, als ich Dich sahe, und so treu ich mir selbst durch Schiksale und Gefahren war, so treu bin ich Dir gewesen. Ich weiß den Allgegenwärtigen, den Himmel, die Weltseele nicht anders zu preisen, als wenn ich mich mit meinen Aussichten in die Ewigkeiten Seelen hingebe, die in der Individualität das Ganze aussprechen. So heist es in Worten und in der That heist es Liebe, die über Bewustsein erhaben ist. Darum schenke mir die Deinige voll und ohne Gränzen.

Ich habe Dir ein Buch dedizirt und wie ich jezt sehe, den Philistern damit den Eingang versperrt. Laß Dir es kommen, und mein nächstes Dir nicht |2 dedizirtes komt Dir durch den Buchhändler zu. Es wird heißen: [...], Sprachen u Religionen , u Dir beweisen, daß ich mit den [...] und [...] angefangen habe.Ich denke mir Dich immer gelehrt und doch besser als alle Bücher die Du oder ein anderer schreiben kannst, nemlich selbst als ein Buch. Bei allen Göttern, ich bin es auch, ob ich gleich bis zu meinem lezten Lebenshauch schreiben werde u muß.

Du wirst keine Langeweile haben, so wenig wie ich sie nur ⅛ Stunde in meinem Leben gehabt habe. Aber schreibe mir einmal lang u viel u die ganze lange Zeit, die Du besizest; ich werde das als ein kostbares Geschenk ansehen: Denn Du weist nicht, wie ich Dich liebe u wie mich Deine Auge lehrte, daß der Himmel |3 unschuldig sei.Dem Jean Paul danke ich für sovieles, vorzüglich dafür daß ihn die Sternen geschaffen haben ud vorzüglich daß er mir Dich schikte.

So lebe denn wohl, ewige Seele und sage dem, der Dich liebt, Deine Liebe

Kanne

Deine Briefe gehen, bis ich sedem fixam habe , durch Gott mit uns, den ich Dir nicht übersezen mag. Der Vortreffliche könnte das Vortrefflichste lesen, was ich von ihm sagte. Jedem gehört von Gotteswegen das seinige und er soll es wissen auch. Den Göttern Du Guter.

Zitierhinweis

Von Johann Arnold Kanne an Paul Emile Thieriot. Göttingen, 29. Oktober 1808, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1831


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 97
1 Dbl. 8°, 3 S. Auf S. 1 aoR angehefteter roter Zettel mit Karl August Varnahgens Vermerk: Kanne an Thieriot. | Göttingen, 29. Oktob. 1808. Auf S. 4 Adresse: Thieriot sowie Brief von Emanuel an Thieriot vom 11. Januar 1809.

Überlieferung

D: Erich Neumann, Johann Arnold Kanne. Ein vergessener Romantiker. Ein Beitrag zur Geschichte der mystischen Sprachphilosophie, Berlin


Korrespondenz

Mit Emanuels Brief an Eva Hoffmann vom 11. Januar 1809 mitgeschickt.