Von Ernestine Mayer an Caroline Mayer. Leipzig, 15. November 1800 (?), Sonnabend

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Meine einzige geliebte glückliche Caroline verlange nicht daß ich dir Glück wünsche. Was mein Herz empfindet und längst empfand das weißt du schon längst. Der Brief dem ich von dir erhielt gab mir den ersten schönen Abend hier. Nemlich einen der so ganz mein Herz befriedigte. Du hast sehr recht wenn du sagst welch ein verschiednes Leben magst Du führen!

Mein ganzes Wesen ist verändert. Der ewige Wirbel der häuslichen und andren Zerstreuungen läßt mich gar nicht zu mir selbst kommen, und ich gestehe dir ehrlich daß ich selten an Berlin denke. Ich bin hier im einer unaufhörlichen Beschäftigung und die zerstört den Spielraum meiner Phantasie. Ich bin in der That recht glücklich hier. Wie sollte ich es auch nicht seyn. Du glaubst das nicht mit welcher unendlichen Liebe und Güte Spazier und Minna uns tragen und schonen und wie ich jeden Tag durch größre Aufmerksamkeit mich gerührt fühle. Minna ist ein herrliches Weib, und Spazier ein herrlicher |2 Mensch und alles ist hier schön und gut. Ich komme eben ehe ich J. P. Brief erhielt von der Sternwarte wo ich auf der höchsten Kuppel stehend die ganze lachende Gegend von Leipzig übersehen konnte Wie stürzte ich dem Briefträger entgegen der den Brief brachte. Ich habe heut nicht Zeit dir mehr und ausführlicher zu schreiben. Gewiß bist du böse auf mich. Doch nein, wie könnte der Glückliche zürnen! Lebe wohl meine gute gute liebe einzige Caroline, und glaube daß mein Herz dir ewig nahe ist.

Ich bitte dich recht dringend mir meinen Pelz zu schicken. Ich kann mich nicht mehr ohne dem behelfen. Hast du mit Papa wegen dem Pelz-Aufschlag gesprochen so schreib mir darüber Ich bitte dich bey der Gelegenheit mir den Neßeltuch zu schicken den Guste eigentlich haben sollte. Ich komme mit meiner Garderobe hier sehr schlecht durch und brauche nothwendig noch ein Kleid. Ferner bitte ich dich mir ein Paar lederne Schu machen zu laßen und sie uns zu schicken: Ich bin zu sehr ausgeleert als daß ich sie von meine Gelde |3 hier könnte machen laßen. Ich erbete das alles mit der nächsten Post. Lebe wohl meine gute Caroline und erinnre Dich in Deiner Seeligkeit mit unter auch

Deine treue

E.

Grüße alle unsre Freunde auch die liebe Guste die wollt ja an mich schreiben?

Zitierhinweis

Von Ernestine Mayer an Caroline Mayer. Leipzig, 15. November 1800 (?), Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0004


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2½ S. Am Ende des Briefes Datierung vfrH: 15.11.1800.


Korrespondenz

Zur Datierung: vermutlich nach der Verlobung Caroline Mayers mit Jean Paul am 9. November 1800.