Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer und Caroline Mayer. Leipzig, 26. November 1800, Mittwoch
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Mein guter, lieber Vater, wie sehr haben Sie mich durch Ihr gütiges Geschenk beschämt und überrascht. Auch dank ich Ihnen für den leisen Wink in bezug auf die leicht sinnige Art mit welcher ich vielleicht mit dem ersten umgegangen bin. – ich schäme mich fast vor mir selbst daß ich mich hier wo fraglich ein ganz andrer Maaßstab herrscht als der woran ich bisher gewöhnt war – und wo die Maße der Menschen es nicht zu schäzen weiß – wenn man sich auch durch Einfachheit geltend machen möchte – daß ich mich oft unwillkührlich Eitelk durch kleinliche Eitelkeit habe hinreißen laßen. Das Geschenk von Ihrer lieben Hand mein bester Vater, werde ich durchaus nüzlich anwenden; das heißt; mein Pelz soll davon in Stand gesezt werden , und dann will ich mir ein kattunenes Haus-Kleid kaufen was mir für den Winter unentbehrlich ist.
Die Zeit des Schwärmens ist jetzt so ziemlich überstanden, und wir fangen an ziemlich ruhig und häuslich zu leben. Spazier sieht zuweilen einige Menschen, die hier zu den ersten gehören auf einem einfachen Fuß in seinem Hause. Als seinen eigentlichsten Hausfreund muß ich Ihnen den associé des Herrn Voss . deßen Name Ihnen auch nicht fremd seyn wird als einen recht liebenswürdigen intereßanten ganzen Mann – |2 anführen. – Ich freue mich auch in der Entfernung der glücklichen, der seeligen Zukunft die sich Ihnen in dem Glück Ihrer Tochter eröfnet. – Ich nehme jetzt keinen Anstoß mehr hier öffentlich von Carolinens Heirath zu sprechen und lese dann mit Vergnügen die höchste Überraschung auf allen Gesichtern. – Caroline schreibt mir gar nicht ob sich denn J. P. vor der Hand wenigstens in Berlin fixiren wird? –
In Ihrem lezten Briefe an Minna waren Sie so gütig für die Dauer meines hiesigen Aufenthalts gar keinen Termin sezen zu wollen. – Wenn ich vielleicht noch die Neujahrs-Meße hier abwartete so könnte das für Carolinens Einrichtung recht gut angewendet werden. Denn alsdann kauft man hier alles für ein Spottgeld. Jetzt aber ist es im Gegentheil hier weit theurer als in Berlin. Außgenommen konten oder die sogenannten points sind hier so wohlfeil und werden daher so gemein daß sie hier schonman sie sogar an den Nachtmüzen trägt. –
Nehmen Sie diese flüchtige Zeilen gütig auf mein bester Vater; Ich schreibe nächstens mehr Die Post eilt und ich kann nur noch hinzufügen daß ich unwandelbar bin wie immer
Ihre
treue Tochter
E.
|3 Liebste Caroline, ich bin Dir noch Antwort schuldig wegen Besorgung deines Pelzes. Es ist aber nichts ihn hier zu kaufen denn wie sollte ich ihn Dir denn hin schaffen! Mit der Post geht es ja nicht! Es wäre ja contrebande. Wenn Du Dir noch kein Kleid gekauft hast so nimm mein Rath an und kaufe Dir lieber dunkler als so eine leuchtende Farbe. Ich habe nicht Zeit dir mehr zu schreiben. Vergiß doch ja nicht die Schue ich brauche sie so nothwendig! –
Und schreib mir ja recht bald und viel!
Deine
E.
Minna bittet recht sehr um Entschuldigung daß sie nicht selbst schreibt. Hiebey erfolgt der Brief von p. Lusi. und freut und hofft Spazier auf Ihren Einfluß zum besten seiner Zeitschrift . Leben Sie wohl mein bester Vater!
E.
Zitierhinweis
Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer und Caroline Mayer. Leipzig, 26. November 1800, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0005