Von Adelheid von Bassewitz an Caroline Richter. Potsdam, 20. August 1810, Montag

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Aus der verzögerten Antwort, auf Ihr liebes Schreiben , haben Sie, meine theure Caroline, vielleicht den Schluß gezogen, daß Ihr Andenken, nicht sehr lebhaft in meinem Herzen geblieben sein müßte. Mit Freuden und inniger Bewegung bin ich es mir aber bewußt, daß meine herzliche Freundschaft für Sie ganz unverändert ist, daß ich mit der wahrsten Theilnahme jede Nachricht von Ihnen aufgenommen habe, u daß die liebe Zeilen welche mir Wilhelm Gerlach überbrachte, mich mit einer Freude erfüllten, die fast über jede Beschreibung ist. Wie durfte ich hoffen, daß Sie theuerste Caroline bei der vielfachen Veränderung des Orts und der Lage die eine so große Zerstreuung und eine ausgebreitete Bekanntschaft mit vielen treflichen Menschen gewöhnlich mit sich führt |2 mein Bild in Ihrem Herzen bewahrt hätten; und daß mein Andenken Ihnen werth geblieben sei.

Die Fröhlichkeit und Unbefangenheit der Zeit die wir miteinander verlebten, wurde lebendig hervorgerufen in meiner Seele, durch jedes Ihrer lieben Worte; und der feierliche ergreifende Tag an welchen ich Ihre liebe Zeilen empfing, wurde mir durch das Bewustsein Ihres Andenkens und Ihrer Liebe verherrlicht und verklärt. Es war gerade der Tauftag meines 4ten kleinen Mädchens an welchen ich Ihren Brief empfing; ein großer Theil meiner Freunde hatte sich um mich versammelt, um Taufzeugen bei meiner kleinen Auguste zu sein, Wilhelm Gerlach kam wie gerufen, und durch Ihre liebe Zeilen waren Sie theure Caroline mit einem mal auch mein in meiner Nähe versetzt. Gewiß hätte ich Ihnen sehr bald und noch ergriffen |3 vom dem Eindruck den Ihre Zeilen auf mich gemacht haben geantwortet, [...] w äre nicht meine Freundinn Minchen Dörfer, die sich schon seit einigen Jahren, bei mir aufhält und mich bei der Erziehung meiner Kinder unterstützt den Tag nach der Taufe in eine langwierige Krankheit verfallen, von welcher sie jetzt erst anfängt sich zu erholen. Meine häusliche Geschäfte häuften sich an so an und meine Kräfte waren noch so gering, daß ich mich anstrengen mußte um nur das nothwendigste zu thun u so kam es daß die Beantwortung Ihres lieben Briefes von einer Woche zur andern verschoben wurde. Sie haben in diesen Zeilen nun bereits gesehen daß ich vier Töchter habe, und daß eine Freundinn die wir beide ein in der Blüthe unserer Freundschaft mit Herzlichkeit u Liebe umfaßten sich bei mir aufhält und durch eine nützliche Thätigkeit |4 sich über vieles, was sie im Leben erfahren u leiden mußte, erhebt. Außer den 4 Mädchen habe ich einen Sohn, der jetzt im siebenten Jahre ist, der aber obgleich er der Einzige ist, gewiß nicht verzogen und ungerecht vorgezogen wird. Meine älteste Tochter ist sehr schwachen Körperbaues, sie hat mir unendlichen Kummer und große Sorge durch ihre Schwächlichkeit verursacht; doch ersetzt sie dieses jetzt alles, durch ihre große Zärtlichkeit für mich, u durch recht ausgezeichnete Fähigkeiten und Anlagen die meine größte Freude ausmachen. Meine zweite Tochter ist ein liebes sanftes freundliches Kind vielmehr läßt sich noch nicht von ihr sagen. Die beiden jüngsten Mädchen wovon das Eine zwei Jahr das andere 3 Monat alt ist sind die Spielpuppen im Hause für Mutter Vater u Tante (so nennen alle Kinder Minch Dör). |5 Marie die älteste von den beiden Kleinen ist ein gar drolliges u sehr lebhaftes Kind und eigentlich der Verzug [...] ganzen Hause. von uns allen! Hier haben Sie beste Caroline, ein Bild von meinem Hausstande freilich ist es gar unvollständig, doch die Lückken welche durch eine so lange Trennung, wie die unsrige ist, entstehen, laßen sich mit einem Briefe, nicht ausfüllen. Wie glücklich könnte es mich machen wenn Sie mit Ihrer ganzen Familie, wie es schon einige mal hieß, zum Besuch nach Berlin, kämen, u die Freundinn hier in Potsdam mit Ihrem u der Ihrigen Anblick erfreuten. Das lebhafte Intereße was Ihr theurer Mann mir durch alles was ich früher von ihm wußte einflößte, ist durch die fortgesetzte Bekanntschaft mit seinen schriftstellerischen Arbeiten, u durch die Kunde von dem häuslichem Glücke was er den |6 Seinen bereitet, ehr erhöht, als verringert. Und ich darf mich ihm mit dem Bewußtsein empfehlen, jetzt seiner Freundschaft würdiger zu sein, als in früherer Zeit, wo er uns alle mit so vieler Nachsicht u Zartheit behandelte. Daß ich häuslich sehr sehr glücklich lebe, daß sagte Ihnen wohl Wilhelm Gerlach. Ich habe hier in Potsdam wenig Umgang, aber viel Genuß in der Natur und in den herrlichen Umgebungen, die diesen Ort vor so vielen auszeichnen. Den Zusammenhang mit meinen Freunden in Berlin unterhalte ich lebhaft – es sind immer dieselben, welche die liebe Caroline früher kannten / Stubenrauchs / wovon die Zweite an einen treflichen Mann, dem Staats Rath Borsche verheirathet ist, die Eimbeck. / eine Heimsche Tochter / die jüngste Stubenrauch, Auguste, ist zu einem treflichen Mädchen erwachsen. Von der Bülow |7 bin ich durch manche Verhältniße äußerlich getrennt; meine Liebe für sie ist aber immer dieselbe, ich zweifle nicht an die ihre u obgleich wir uns seit Jahren nicht geschrieben haben, würde uns eine Stunde freien Gesprächs in Herzlichkeit u Liebe vereinen. Die älteste Stubenrauch; Wilhelmine, hält sich in Sonnenburg bei ihrer ältesten Schwester auf, und erzieht u unterrichtet ihre kleine Nichten deren sie fünfe dort hat. Minchen Dörfer wird würde sehr erfreut sein werden durch die Versichrung, daß Sie, meine liebe Caroline ihrer mit Liebe gedenken, das Schicksal was Ihnen die theure Schwester raubte, hat ihr zugleich die zärtlich geliebteste Freundinn genommen. Wollen Sie, meine beste Caroline, den Zusammenhang unter uns, zuweilen durch einige Zeilen unterhalten so werden Sie mich dadurch sehr glücklich machen; mögten diese Zeilen Ihnen ein Zeugniß sein wie sehr ich es wünsche |8 mögte sie mit ähnlichen Gesinnungen u Empfindungen von Ihnen empfangen werden als die Ihrigen bei mir hervorbrachten. Von ganzem Herzen und mit ewig unveränderter Freundschaft die Ihrige

Adelheid v Baßewitz
geborne v Gerlach.

Zitierhinweis

Von Adelheid von Bassewitz an Caroline Richter. Potsdam, 20. August 1810, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0048


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
2 Dbl. 8°, 7⅓ S.