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Berlin d. 12. 7.ber 1809.

Liebe Caroline!

ich habe Deinen letzten Brief vom 10. August , u seit einigen Tagen einen fast 3. Monath alten durch Herrn D. Huthwalker aus Hamburg erhalten, der mich besucht hat.

ich kann mir auch Dein langes Stillschweigen erklären, und entschuldige Dich deßhalb recht gern.

Besonders leyd thut mir der nachtheilige Erfolg der Krankheit Deines Mannes auf sein sonst so jovialisches humeur. Die Welt ahndet übrigens von seiner hypochondrie nichts, sondern erfreuet sich an des D. Katzenbergers Bade Reise, die allgemein neue Sensation macht. Der Himmel ströme doch neue Gesundheit und Heiterkeit auf Deinen Mann, damit er in dieser trüben Zeit andere damit aufrichte.

Julius ist seit etwa 4. Wochen bey, und ein sehr liebens würdiges Kind. Er wohnt bey mir, u ist den Tag über in halber Pension, weil er bey meiner Lebens Weise mit seinen Schul Stunden in Unordnung kommen würde. Er soll Dir nächstens |2 ein Paar Zeilen schreiben. Er ist recht gescheut und besonnen, und hat großen Beschäftigungs Trieb, wodurch er mir Hofnung macht, daß er einmal ein recht brauchbarer Mann werden wird. Sein jetziges Haupt Studium ist Mathematic, lateinische Sprache, und Geschichte, die ihn besonders anziehet. Nach meinem Plan soll er ein Buchhändler werden, wo ich seinen Kopf und irgend eines Glücks Piltzes Beutel in Verwandschaft zu bringen, und so beyden ein etablissement zu schaffen denke. Ihn studieren zu laßen, und so ein halbes Menschen Alter hindurch aus meinen Beutel zu unterhalten, denke ich nicht. Dem alten Sprach Studio, wohin ich auch noch das Griechische rechne, soll dann noch Unterricht in neuren Sprachen, wovon er das Frantzösische schon jetzt treibt, folgen. Auch hat er schon jetzt Unterricht im Zeichnen, und stümpert auf der Violine. Zum Clavier scheint er zwar mehr Lust zu haben, allein ich fürchte einen Musicanten aus ihm zu machen, die mir fatal sind.

|3 Minna hat nun auch ihren jüngsten Sohn in Pension bey einer Frau Friedenreich gegeben, die sonst den Julius erzog. Das ist sehr gut, den der Bube soll sehr wild seyn.

Daß der alte Rendant Siegfried todt ist, so wie seine Frau, die 6. Wochen vor ihm starb, weißt Du vielleicht noch nicht. Seine älteste Tochter verehlichte Himmerlich wohnt jetzt in der Neu Mark zu Goltzow, wo ihr Mann geistlicher Inspector ist.

Die Zwillings Tochter ist hier und ein sehr braves Mädchen; und diese hat wieder eine Enkelin des verstorbenen Sohnes erster Ehe bey sich, die der GroßVater zu sich genommen hatte. Die Umstände des alten Rendanten sind nicht schlecht.

Daß der Praesident v. Gerlach jetzt Ober Bürger Meister von Berlin ist, ist Dir dagegen wohl bekannt. Die Familie ist gut, und wir setzen die alte Freundschaft fort.

Raumers ältester Sohn gehet in diesen Tagen nach Heidelberg auf die Academie, wo er Theologie studieren will.

|4 Seit einigen Tagen ist der Groß Cantzler Beyme in Berlin u möge er der Vorbote der Rückkehr der alten Verfaßung seyn.

Lebe wohl. Grüße Deinen Mann u küße Deine Kinder. Die Mutter grüßt hertzlich, Sie ist so eben nach einem gefährlich scheinenden Anfall von der Ruhr hergestellt.
Die Frau von Kalb hat gebeten anliegenden Brief an Dich zu legen.

Dein treuer Vater
Mayer

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 12. September 1809, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0052


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.