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Dess. 2ter Juny. 1800.
So zudringlich es Ihnen u Herrn Organist Müller scheinen mag, so kann ich doch nicht umhin meine letzthin geäusserte Bitte zu wiederholen. Die Umstände sind nicht mehr in meiner Gewalt, der Prozeß mit Herrn H., der seiner Klarheit wegen nicht lange wird dauern dürfen, muß eingeleitet werden u bevor ich die Zeugnisse meines Rechtsgrundes nicht habe, kann ich nichts anfangen. Ich wünschte so gern Sie der gerichtlichen Weitläuftigkeit zu überheben u ein hiesiger Jurist hat mir gesagt, daß dies vor der Hand dadurch geschehen könne, daß Sie beiderseits u wer sonst aus persönlicher Rücksicht kein Bedenken trägt der Wahrheit die Ehre zu geben, mir einfache untersiegelte Zeugnisse ausstellen u, um dem Leugnen des Beklagten zu |2 begegnen, zugleich dabey versichern, daß Sie nöthigenfalls erbötig wären, sie eidlich zu erhärten. Ich hoffe, daß Sie so gütig seyn werden, mich in dieser Ehrensache, die mir schlechterdings nicht mehr gleichgültig bleiben kann, zu unterstützen u daß Sie sich nicht aus Bedenklichkeiten davon zurückhalten laßen werden, die ich in dem Kampf für meine angegriffene Ehre, selbst Ihrer Verzeihung gewiß, für geringer als mein einmal beabsichtigtes Ziel halten müßte. Reichardt kann mir doch nicht eine glatte Unwahrheit geschrieben haben. Ich bin überzeugt, daß wenn er geahndet hätte daß ich sie so ernstlich hätte aufnehmen müssen, er mir lieber nichts davon gesagt haben würde. Aber nun ich darum weiß, nun ich gegen den Beleidiger |3 schon davon gesprochen, ist kein anderes Mittel als die Sache, durchzusetzen, so äußerst unangenehm es mir auch ist, da ich noch nie in meinem Leben einen ähnlichen Fall gehabt noch jemals in gerichtliche Streitigkeiten verwickelt worden bin. Man kann in der Welt etwas besseres thun, als Injuriesprozesse führen. Aber ich kann meine Sache Menschen in Berlin übergeben, die mir den größten Theil meiner Sorge abnehmen können u werden.

Seyen Sie dennoch so gütig, diesen Brief Herrn Müller zu communiciren; er ist für ihn mit geschrieben u er wird mir zu Gute halten, daß ich, aus Zeitmangel, mich nicht noch besonders auch an Ihn wende.

Hochachtungs u Vertrauensvoll bin ich Ihrer beider

ergebenster
Spazier

Zitierhinweis

Von Karl Spazier an Unbekannt. Dessau, 2. Juni 1800, Montag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0066


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Textgrundlage

H: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, A/881/2008
1 Dbl. 8°, 3 S.