Von Emma Richter an Fanny von Welden. Bayreuth, 14. August 1825, Sonntag

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Bayreuth, 14. August 1825.

Es drängt mich so oft an den Schreibtisch und ich bin froh, wenn ich eine Seele habe, zu der ich reden kann, da keine selbständigen Gedanken allein mir kommen wollen. Du glaubst nicht, wie es mich oft drückt und drängt und die Idee des Schreibens mich beseligt, und will ich dann anfangen, so fühle ich meine Armuth und das erhebende Gefühl macht wieder der träumenden Phantasie Platz. Ich weiß wohl, es ist eigene Schuld; ich dürfte nur einmal alle diese Luftgestalten fahren lassen und Einen Gedanken scharf fassen, so ginge es wol. Aber dann schäme ich mich vor den Anderen, die gleich mein Thun errathen.

Aber lass Dir jetzt von unserem Quellhof erzählen. Die Bomhard nebst vollständiger Töchterzahl , die beiden Dobenecks , die Otto, Frau v. Reitzenstein und wir beide saßen draußen auf der langen Bank, dem Mistolymp gegenüber. Amalie und ich kochten Kaffee unter tausend Aengsten, ob er recht würde. Er war es; nur zu wenig. Die dunkle Küche gesellte ihren Schatten zum Kaffeebraun, und die Töpfe schienen voller als sie es draußen im Freien vor den lechzenden Zungen waren. Alles war heiter, und wir Gelbschnäbel unterließen unsere Späße nicht, die man belohnend belachte, wenn nicht hinterdrein belächelte. Nach aufgehobener Tafel stach uns der Haber; das Grazienfünf sprang auf, strich umher, kam endlich in den Stadel und setzte sich auf den darin stehenden bespannten Leiterwagen. Der Pächter versprach freundlich, die Fünf bis an das Feld zu fahren, auf dem das aufzuladende Getreide lag. Wer war froher als wir! Minette und Amalie setzten sich auf zwei querliegende Strohbündel, Lina und ich in die Mitte, die Füße zur Oeffnung hinaushängen lassend. Wie die "Buben" fertig gevespert, ging die Fahrt unter Singen und Jubeln vor den erstaunten Altmüttern vorbei aufs Feld. Unterwegs wurde spekuliert, daß wenn wir bei der Arbeit hülfen, wir wol noch einmal fahren könnten – also frisch mit den Bauern ans Werk! Anfangs gefiel uns das Ding ganz gut; und ich meinte, es wäre hübsch, wenn so eine Geschichte Ruth daraus würde . Wie aber das Feld immer kein Ende nehmen wollte, die Disteln uns stachen, das Bücken uns schwer wurde, da verging uns der Spaß. Aber die Ehrbegierde stachelte uns und zuletzt auch wieder die Liebe zum Werk, das dann endlich auch vollbracht ward. Amalie und ich setzten uns jubelnd auf das herausstehende Brettende und ließen getrost aufladen, unbekümmert, ob den Leuten unser Festhängen recht wäre oder nicht. Minette und Odilie erwischten die Seitenbalken und klammerten sich an den obereren an. Lina schlich ärgerlich hinterdrein (für sie gabs keinen Platz mehr). So zogen wir triumphierend wieder in die Scheune zurück.

Zitierhinweis

Von Emma Richter an Fanny von Welden. Bayreuth, 14. August 1825, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0107


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Textgrundlage

D: Emma Förster, S. 12–13