Von Anna Christiane Charlotte von Stein zu Nord- und Ostheim an Caroline Richter. Waizenbach, 22. Dezember 1825, Donnerstag

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Waizenbach den 22/12 25

Ich wage es kaum mich in den Augenblicken der feyerlichen Wehmuth Ihnen zu nahen, meine Theuere schmerzlich geprüfte Freundin. Wo ist Trost hienieden, wo ein Ersatz nur Trennung und Entbehren. Arme Arme Theuerste und doch so Glückliche! Ein solches Leben verschönt, den letzten Kampf versüßt zu haben. Dieses heilige Schaffen ist die Kette die unzerreißbar mit der Geisterwelt Sie verbindet mit ihnen die nun nicht mehr hoffen und glauben sondern genießen und schauen; ihnen hat der Engel die Dornenkrone von den Wunden gehoben – um mit unserm herrlichen, theuren, Unvergeßlich Unsterblichen zu reden, Sein hehrer Geist wacht über Sie, umgiebt seine Lieben und lebt nun die Seligkeit in Herrlichkeit Heiligkeit und Friede wie sie Ihm lange vorschwebte für die Er vollendet war.

Halten sie vest an seinen herrlichen Ver- |2 mächtnißen, darin die höchste Aufmunterung zum Leben Ihnen gegeben das Er liebte und so heiligte, Sich und den Seinen u denen die Ihn liebten u. verehrten verherrlichte. Er ließ Ihnen einen schönen Beruf noch zu erfüllen, meine Freundin, der in Ihren Händen, welch herrliche Früchte tragen muß deren Reihe in die Unendlichkeit reichen werden.

Ich freue mich auf unser, wenn auch schmerzliches Wiedersehen, meine Theure Theure Richter, die Trennung von Ihnen, aus Seiner Nähe, war es mir mehr als ichs Ihnen sagen kann. denn die quälendste Ahndung: die ach leider mich nicht täuschte – daß ich Ihn nie an der Stette wieder finden werde fesselte mich an den Boden u in Ihren Armen aus denen mich loszureißen ich mit dem peinigendsten Gefühl überwandt – doch freue ich mich – Sie werden von Ihm mir erzählen, ich von Ihm hören den ich so hoch und innig verehre. Eine heilige Vergangenheit wollen wir wieder durch leben in Erinnerung und Liebe. Laßen Sie Ihre treue Freundin wieder Ihrem Herzen nahe seyn. das so oft Zuflucht |3 war in trüben Stunden u schmerzlichen Gefühlen. Wir haben uns gefunden, meine Freundin u vester vereinigen uns die Prüfungen des Schicksals, das wenn es Ihnen viel gegeben auch viel genomen hat, aber um wieder zu geben nach einer Prüfung kurzer Tage uns wieder u. ewig zu vereinigen.

Ich umarme Ihre lieben Kinder , an die ich mit dem schmerzlichsten Gefühl denke, ihnen ist frühe der herrliche Vater entrißen aber noch viel geblieben das ihnen Gott lange erhalten möge, Sie die [...]theuerste beste Mutter. Meine theuerste Freundin! Ewig die

Ihre
C. von Stein.

Zitierhinweis

Von Anna Christiane Charlotte von Stein zu Nord- und Ostheim an Caroline Richter. Waizenbach, 22. Dezember 1825, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0121


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2⅔ S.


Korrespondenz

Zum Absender: Da der Brief aus Waitzenbach kommt, könnte es sich möglicherweise auch um Wilhelmine Luise Eleonore Christiane von Stein handeln, Pröbstin in Waizenbach. Allerdings war ihr Rufname Eleonore.