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Baireuth den 16ten
Jun. 1820.

Mein theurer Herr Hofrath!

Daß Sie mit Güte noch meiner gedenken sagte mir vor Kurzem ein Brief des edeln Heinrich Voss , der meinem Mann schrieb, Sie haben mir Ihr neuestes Buch, den Torso , zugedacht, und es liege in Heidelberg für mich bereit. Wie stolz macht es mich von Ihnen dieser Auszeichnung werth gehalten zu sein, und ich freue mich im Voraus sehr darauf. Sie glauben nicht wie ehrwürdig mir Ihr Charakter ist, und mit welcher Dankbarkeit ich der Güte gedenke, die Sie für die Frau eines Mannes haben, gegen den ich ein so völliges Nichts bin, und über den die ganze gebildete Welt die Frau übersieht. Zwar freue ich mich unendlich des allgemeinen Enthousiasmus, aber indem ich ihn theile, fühle ich |2 mich eines Bundes mit allen ihn Anerkennenden werth.

Sie müßen mir daher vergeben, wenn ich Ihnen, edler Mann mich doppelt verbunden fühle – heute muß ich Ihnen aber einen Beweis meines Vertrauens geben.

Sie erhalten diesen Brief durch eine Freundinn von uns, einer sehr unglücklichen Frau. Es ist die Gräfin Vitzthum aus Dresden. Sie macht eine Reise nach Ems wo sie eine Zeitlang sich bei der Fürstin von Wiedrunkel aufzuhalten gedenkt. Ihr Mann ist der Hofmarschall Graf Vitzthum am sächsischen Hofe. Sie lebte unglücklich mit ihm, mag auch wohl durch die Lebhaftigkeit ihres Temperaments wohl viel Schuld an seiner Unzufriedenheit mit ihr haben. Sie ist aber zu sehr von ihm beleidigt worden, und er wünscht die Trennung. Noch immer hat sie den |3 Weg der Güte verfolgt, aber endlich ist es Zeit ihre Rechte zu behaupten, und sie wünscht daher einen geschickten Rechtsgelehrten zu befragen, der wenn auch nicht ihre Sache übernimmt ihr doch einen Fingerzeig gibt, wie sie sich zu betragen habe. Können Sie verehrter Mann ihr in Frankfurt oder Mainz einen solchen nachweisen, so bitte ich Sie es zu thun. Erlaubt Ihre Gesundheit sie anzuhören, so wird sich Ihr Herz von selbst für sie erwärmt fühlen, wie es auch meinem Mann geschah. Frau von Ende, eine der ausgezeichnetesten Frauen in Hinsicht auf Bildung und Moralität (dieselbe die ihren Sohn in Heidelberg auf während seiner Universitätsjahre umgab, und die Voss sehr gut kennt) ist die warme Freundinn der Gräfinn und empfahl sie uns.

|4 Möchte Ihre Gesundheit doch jetzt ganz fest sein! Werden Sie dieses Jahr nicht ein Bad brauchen? Wie gern hörte ich die beruhigendsten Nachrichten darüber.

Mein Mann ist in München. Diese Reise wurde vorzüglich durch den Aufenthalt unseres Sohnes bestimmt, der sein letztes Schuljahr auf dem dortigen Lyceum zubringt. Im Herbst kommt er nach Heidelberg. Er ist des Vaters Freude, und sein Streben nach Vervollkomnung ist des Vaters würdig. Meine Töchter empfehlen sich mit mir Ihrer Liebe und Freundschaft. Ich bitte Gott innig um Ihrer und Ihrer herrlichen Familie Wohlergehen, wovon ich besonders die edle Tochter die meinen Mann so sehr anzog und rührte, mit mütterlicher Liebe grüße. Wie seelig wäre ich, Sie Alle einmal wiederzusehen.

Ihre
Sie ewig verehrende
Caroline Richter.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Franz Wilhelm Jung. Bayreuth, 16. Juni 1820, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0143


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.