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Baireut den 4ten April 1822

Wie sehr, meine geliebte Mutter, hat mich die Nachricht Deines Wiederkommens erfreut ; aber auch überrascht, denn wir sprachen erst gestern bei Weldens davon daß Du wol nicht vor den Feiertagen ankommen würdest. Gottlob' daß es euch allen so wol geht, und der guten Odilie die Kur nicht so schwer fällt! Sixtus und Fanny sprachen heute auch mit vieler Achtung von der Durouf , sie ist auch eine Freundin der Welden. Der guten Reitzenstein werde ich ihr eine rechte Freude machen wenn ich ihr von Deiner Bekanntschaft mit der Falk sprech schreibe. Vorgestern erhielt ich einen Brief von ihr der sehr herzlich war.

Die Führung des Haushaltes macht mir große Freude, beste Mutter, und bis jetzt gab es auch wenig zu thun, und blos das Bischen Kochen macht meine ganze Sorge aus. Wenn Du kommst wirst Du alles in Ordnung finden, Marie reinigt Alles. Das Weinabziehen ging durch den Büttner auch sehr gut von statten und nichts wurde zerbrochen. Damit Du doch weißt was ich die Zeit her gethan habe so sage ich Dir daß ich heute am Donnerstag zum zweitenmal mein neues Kleid anhabe und daß es recht gut sitzt.

Bei der guten Kammerherrin war ich nur einmal zum Vorlesen, nicht wegen often Ausgehens, sondern |2 aus Mangel an Erlaubniß, denn Du weißt wie ungern es der Vater sieht, und da habe ich auch nicht den Muth ihn darum zu bitten. Gestern besuchte ich im Vorübergehen seit acht Tagen zum erstenmal die Stein, die dich auf das herzlichste grüßt. Seit dem Spaziergange nach Meiernberg wird mir die Unterhaltung mit ihr viel leichter.

Ich weiß nicht ob ich Dir neulich geschrieben daß die Plotho geantwortet und daß sie selbst in einigen Tagen hierher kommt, um das Quartier zu sehen. Eben aber sagt mir Marie daß sie den Vorschlag nicht eingeht, weil die Wohnung zu entfernt für sie wäre. Noch ist es ungewiß ob die unschlüssigen Bachs zu Walpurgis ausziehen oder nicht, vielleicht bleiben sie noch ein Vierteljahr. Vetterlein hat ihr Haus gekauft.

Gestern war der Vater und ich bei Weldens. Ich sah s die gute Frau nur einen Augenblik doch schien sie wohl und heiter. Vor acht Tagen sprach ich sie zu meiner Freude in der Harmonie wo sie sehr gesund heiter war, ich wollte schon längst es Dir und der guten Luise schreiben, aber immer kam etwas dazwischen und heute wo ich heimlich einen Brief abschicken wollte kam gar Deiner beste Mutter, und jetz in kurzer Zeit werden wir keines Papiers mehr bedürfen! Diese vierzehn Tage waren noch gut zu ertragen da ich schon öfter allein gewesen, aber ich fürchte daß es mir schwer und seltsam vorkommen wird dich allein ohne Odilien wiederzuhaben.

Grüße sie und Luise doch tausendmal von |3 mir, ich wollte Odilien einen Kuchen backen aber in den heutigen Fege-Wirrwar war es unmöglich, und ich werde ihn daher den Kutscher der übermorgen Gräfin Giech abholt mitgeben.

Es freut mich sehr daß Frl. Ritter mit Dir reist, Du wirst dich gewiß mehr an sie anschließen, und hast auch eine passende Gesellschaft für Dich. Morgen werde ich in der Stadt herum gehen und bei allen Deinen Freunden Deine Ankunft melden.

Etwas Gutes hat Deine Abwesenheit doch hervorgebracht: ich bin nämlich im Stande einen ordentlichen Zopf zu machen; zwar nur vierfach aber doch gut, und ich brauche dich jetzt nicht mehr damit zu plagen. Es ist eine rechte Kleinigkeit aber doch macht sie mir große Freude. Sage nur Odilien daß mir der Kaffee den ich nun allein trinke gar nicht recht schmeckt, und auch das Weckchen mundet nicht, und daß ich beim jedesmaligen Eßen und Trinken ihrer denke. Aber ich habe jetzt wirklich so wenig Appetit, besonders in den ersten Tagen Deiner Abreise daß ich ganz verwundert über mich bin. Schon an zwei Mittagen aß ich nichts.

Daß Amöne mich besucht und sehr gut war: habe ich Dir wol auch schon erzählt, doch war ich nicht wieder draußen. Die gute Osmund begegnete ich auch neulich, sie frug recht nach Dir. Die kleine Ida ist Gottlob wieder wohl. Es ist ein gar zu englisches Kind. Sage doch meiner lieben Luise daß ich vorgestern zum |4 erstenmal die Bekanntschaft der kleinen Lolli gemacht . So niedlich eh habe ich sie mir gar nicht vorgestellt, sie küßte mich in Einem fort, und wie ich heute Euere Ankunft meldete fing sie an vor Freude zu singen.

Wenn nur das kalte Wetter nicht bleibt! Ist es denn in Würzburg auch so? Diese Woche ist eine ganz andere Luft und das Eis friert an den Brunnen, aber ich hoffe am Charfreitag eine Aenderung. Heute war ich in der Singprobe es geht noch nicht so recht und doch soll keine mehr sein, vielleicht aber beschützt uns der Himmel und es wird besser als wir denken.

An Ilsette gab ich Deinen Brief. Sie war sehr dankbar dafür und ließ läßt Dir die herzlichsten Grüße sagen, so wie die gute Hofdame die an starken Schnupfen leidet.

In B hatte Caroline Richter um Bücher für Odilie gebeten.

Andere Bücher kann ich mir vor der Hand nicht aussinnen aber bis Frl. Ritter zurück reist werden uns schon mehrere einfallen und bis dahin s sind es wol genug. Ich denke mir schon meine Diezo wie sie im Bett liegt und studiert, und wie sie mit ihren Walzern die ganze tanzlustige Mädchenschaft beglückt. Der Vater will noch zwei Worte beifügen, und kaum habe ich ihm dazu Platz gelassen, ich muß also jetzt schließen. Grüße Od. u. Luise auf das Herzlichste, sie werden wol nicht böse sein daß ich ihnen nicht geschrieben. Lebe wol liebste Mutter.

Deine dich erwartende Emma

Ich freue mich recht auf Wiedersehen u Wiederhören. – Sei nicht freigebig gegen d höhern Stand, der ewig undankbar gegen d niedern bleibt. – Odilie soll nicht in unnützer Nachahmung Luisens mit Bleistift schreiben, sondern mit Dinte, da sie ja bei Essen u Spazieren aufrecht bleiben muß.

Zitierhinweis

Von Emma Richter und Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 4. April 1822, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0144


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. 3⅚ S. von Emma Richter, ⅙ S. von Jean Paul.

Überlieferung

D: 3. Abt., Bd. VIII, Nr. 271 (nur von Jean Paul).


Korrespondenz

B: Von Caroline Richter an Emma Richter. Würzburg, Ende März 1822 (4. Abt., Bd. , Nr.)