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Mein. d. 26. Dec.
1802

Heute kam Ihr zweiter Brief, Worthalter! In Vor mir ist mein schweigendes Ich entschuldigt; u. eben darum weil ich kein Bier mehr zu begehren hatte, sondern nur dafür zu danken, hätt’ ich mit geschrieben, wenn ich nicht auf den Ausgang der Krankheit meiner C. – die das Kind entwöhnen muste, ter von der Stadt für ½ verloren gehalten wurde, die Louise Heim als Wärterin bei sich hatte, tägl., u. dadurch halb ich, von 100000 etc. Weibern besucht wurde u 2mal vom Arzte und 2mal vom Chirurg – hätte warten wollen, um Ihnen etwas besseres zu schreiben als die Noth. Ich bin unschuldig; u ich wolte wetten, gegen Sie bleib' ichs stets. Man begeht seine grösten Fehler nur gegen |2 Leute vol gröster Fehler. – Hagen , der leere Nachschreiber der Zeit, geht hier zurük. Als Des Sprachmeisters französ. Programmen finden sich doch wohl einmal; sie sind das höchste Komische der Sprachmeisterei. – Was macht Renate ? – Die Interessen der Altenburger-Bank – da stehtsdas Geld – hab' ich schon bezahlt erhalten; mit Bayreuth wolt' es nicht gehen. Wo zahl' ich Sie, hier od. in Cob. ? In Cob. , das sah ich aus Hohenbaum’s Keller, höret Ihr Bier-Jammer auf, ich schöpfe aus der dortigen Quelle. Übrigens ist auch im grösten Fasse wenig; z. B. das kleinere hatte 118 Krüge (an zwanzig erbärmlich kleine Glasbouteillen nicht gerechnet), 2 auf jeden Tag, oft 3 – Geschenke hinten u vorn u auf allen Seiten – natürlich hab ich heute (dividieren Sie) noch 17. Dan komt das zweite Fas. Aber wie gesagt in Coburg verlang' ich nichts von |3 Ihnen mehr als – Sie leibhaftig. Solte freilich vorher eine Fuhrgelegenheit – – aber davon künftig! Meine C E ist zart u götlich, nie sah ich so vil mimische Physiognomie. Meine C. wird am Kinde eines, vor Lust u Liebe. – Nun, meine C., sage ihm sanfte weibliche Worte, Laute wie sie deinem treflichen Manne in Romanen entfliegen, und fang' etwan so an:

ich will [...] thun als verstände ich so wenig diese Auffoderung, als ich sie befolgen kann.

R. –

p. p.


Guter Emanuel, ich danke Ihnen für Ihre Güte die nicht einmal vergeben will, weil sie nicht erzürnt werden kann. Ihre Worte haben mich unendlich gerührt, und was Sie mir rein Geistiges geben, ist mir unschäzbarer, als was ich in Allegorien empfange, ob ich gleich die Körper als Intelligenz-blätter verehre, und sie eigentlich zu in Hausgöttern sanctioniren möchte, wenn nicht ihre Vergänglichkeit ein Spott auf den ewigen Sinn wäre. Sie [...] gebrauchen alles zu sonderbare Ziffern zur AusSprache Ihres tiefsten Ichs.

|4 In meinem Leben lob' ich Sie nun nicht mehr – "Sie sind Emanuel", und "das ist emanuelisch" sei das einzige was ich mir vorbehalte, und Sie mögen Sich das nun nach Ihrem Sinn auslegen wie Sie wollen; dabei werde ich am ersten bemerken wie weit Sie es in der Eitelkeit und wie weit Sie es in der Bescheidenheit gebracht haben.

Fahren Sie fort mich in der Erziehungskunst zu berichtigen – Ihre Gedanken sind auch meine Gedanken und ich wünsche den großen Umriß meines Plans mit kleinen Fächern ausgefüllt zu sehen – das So war so lange als ich von einem Kinde träumte in meiner Seele – das Wie habe ich im Stillen ausgearbeitet, u das Zwekmäßigste schien mir die Unzertrennlichkeit von meinem Kinde – darum auch, lieber Emanuel, u nicht aus bloßer Liebe trage ich u pflege ich mein süßes Wesen unaufhörlich. Es ist gar zu lieblich u ihre ganze Gestalt eine feine Sprache eines Geistes. Ich lege immer in jeden Zug ihrer Phisionomie eine Eigenschaft oder ein Talent meines Mannes, sie wird ihm gewis ähnlich seyn. Ihre ersten Töne – ihre jezige Sprache – sind entzükend – so oft sie lächelt schreie ich zu Richters Zimmer hinüber "Mann oder Lieber" u er kömmt oft halb zürnend daß ich ihn so oft störe – aber das Kind macht ihn wieder gut.

Der Brief Ihrer Jette hat mir sehr gefallen, sie mus vortreflich, u sehr gebildet seyn – Luise Heim sollte an dieser ihrer Seele versuchen eine vollendete Ähnlichkeit herauszubringen. Die vortre fliche Künsberg ist krank sie wünscht sich einmal einige einsame Stunden mit Ihnen, weil sie Sie recht genießen möchte – das Blatt ist zu Ende

ein arger Pleonasmus
, Leben Sie wohl

Caroline

(Mein Schwiegervater hat d. 3. Frau geheirathet)

Zitierhinweis

Von Jean Paul und Caroline Richter an Emanuel. Meiningen, 26. Dezember 1802, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0182


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Textgrundlage

H: SBa, OFS.Autogr. R 1(1802.12.26
1 Dbl. 8°, 2½ S. von Jean Paul, 1½ S. von Caroline Richter.

Überlieferung

D: 3. Abt., Bd. IV, Nr. 335 (nur von Jean Paul).

D: Denkwürdigkeiten 1, 120–121 (unvollständig).


Korrespondenz

Präsentat: über Jean Pauls Brief: 27ten Jan. 1803 beantw.; über Carolines Brief: 27. Jan. beantw.