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Hochverehrte Frau Geheime Räthin!

Nicht ganz unbekannt, kann die Witwe Jean Pauls, Ihnen sein, und darf es wohl darum wagen, sich einer so edlen Frau zu nahen, deren durch alle Zungen verkündeter hoher Werth, Vertrauen einflößen muß. Verzeihen Sie mir, deren Schicksal gewis Ihr Mitgefühl erregt hat, daß ich Ihnen und durch Sie Ihrem Herrn Gemahl, ein Ereignis bekannt mache, daß meine Seele mit hoher Freude durchdringt, die um so größer sein muß als mein beraubtes Herz, in einem Solchen allein noch den einzigen Erdentrost finden kann, dessen es hienieden fähig ist. Nemlich die Verlobung meiner – "Jean Pauls" – ältesten Tochter Emma, mit einem ausgezeichneten Jüngling, dem Maler Förster aus Altenburg, einem begeisterten Schüler von Cornelius zu München, den ein gütiges Schicksal mir zum Sohne zuwies, und der mir in meinen bedrängten Verhältnissen künftig Trost und Stütze, und meiner Kinder Beistand sein wird.

|2 Möchte Ihr würdiger Gemahl, meinen Kindern seinen Seegen geben, und die Verhältnisse der Hinterlassenen des Freundes denen dem er so innig wohlwollte, aus einem neuen Gesichtspunkt erwägen, und meinen Muttersorgen für das Etablissement dieses ganz mittellosen jungen Mannes durch die Verbindung mit meiner Tochter, das Wohlwollen gönnen Welches allein mich beruhigen kann. Edle Frau! gebrauchen Sie den seegenvollen Einfluß Ihres Herzens zu unserem Besten, damit die Wolke die mir durch die Misbilligung Ihres Herrn Gemahls mir droht, sich in warmen erquickenden fruchtbringenden Regen auflöse.

Der tiefe Kummer in den mich der förmliche Geschäftsgang unserer Angelegenheiten setzte möge mich entschuldigen, daß ich Sie als vermittelnden Genius zwischen uns betrachte.

Gewiß meine edle hochverehrte Frau, Sie würden gern Ihre freundliche Hand uns bieten, wenn wir jetzt alle vier so vor Ihnen ständen, und Sie die Kinder des Abgeschiedenen sähen, die jetzt ihr Haus auf Erden sich bauen wollen.

Vergeben Sie mir, und vernichten sie dieses von dem Vertrauen auf edle Menschheit eingeflöstes Blatt, wenn Sie dasselbe zu groß und zu kühn finden.

Mit wahrer Ehrfurcht

Ihre Caroline
Richter geb. Ma[...]

Bayreuth
den 4 ten Mai 1826.
Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Elisabeth Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 4. Mai 1826, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0192


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Textgrundlage

H: DLA, Cotta-Archiv
1 Dbl. 4°, 2 S. Unter dem Datum am Briefschluß Präsentat und Beantwortungsvermerk vfrH: 8 –– [8. Mai 1826] / 13 Juli. Auf S. 4 Siegel und Adresse: Der | Frau Geheimräthin Baronin | von Cotta geb. Freiin von Gemmingen | Hochwohlgeboren | in Stuttgardt.