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Würzburg den
21ten October
1823.

Geliebte Mutter!

So eben erhalte ich Deinen Brief indem ich an Dich schreiben wollte. Die Reise ging sehr gut. Die Fischer ist so angenehm in ihrem Sprechen wie ich sie mir nicht denken konnte, und gegen mich ist sie sehr sorgsam. Vor Allen muß ich Dir nur Hr. Heines Urtheil sagen. Er findet mich leider etwas weniger gut als da ich fort gieng was mich sehr traurig macht. Noch immer kann er mein früheres kurzes Hiersein nicht vergessen das er mir immer vorwirft . Er sagt meine Knochen wären damals noch nicht befestigt gewesen daher müßte es wol wieder zurückgehn. Ich bin hier auch garnicht so froh als ich mir dachte und habe mehr geweint als je. Wenn ich mir denke daß trotz dem fortwährenden Tragen der großen Maschine und meinem Liegen ich verloren hätte, so begreife ich nicht wie ich hier besser werden konnte. Vielleicht erlaubt der Vater daß ich Abends auch liegen |2 darf. Uberhaupt muß ich mit neuen Eifer meine Kur fortsetzen. An meiner Maschine wird wenig verändert, daher komme ich zu meiner großen Freude, am Sonabend oder Sonntag wieder zu Euch, geliebte Ältern . Amalie Fischer bekommt eine Maschine, Kopfstange und Bett mit nach Hause. Hr. Heine läßt mich die paar Tage noch manipuliren , auch soll ich ein neuerfundnes Sturzbad brauchen. Es ist aber glaube ich dasselbe was Luise Welden bekommt. Mir ist hier Alles so neu und fremd, daß ich sehnlichst unsere Abreise herbei wünsche. Agnes und Hänchen sind zwar immer dieselben gegen mich, allein ich vermisse Jettchen dennoch sehr. Die neue Gouvernante ist sehr liebenswürdig und gebildet aber für Hr. Heine zu sanft daher geht sie noch in dieser Woche weg. Alles klagt über seine Hefigkeit und Unbeständigkeit. Um keinen Preiß möchte ich länger hier bleiben. Schon die paar Tage dünken mir eine Ewigkeit und ich sehe was für einen Unterschied das |3 Leben hier gegen das bei Euch ist. Gerne möchte ich meine Reise und meine Ankunft hier, beschreiben, aber ich kann den traurigen Gedanken meiner Verschlimmrung nicht aus dem Sinn bringen.

Was der gute Vater mir aufgetragen hat, besorge ich mit Freuden so wie auch Deinen Wunsch die Einbeck zu besuchen. Ich habe sie noch nicht gesehn da sie nicht mit am großen Tisch ißt – Lebt, wol theure Ältern und bleibet froh und gesund. Eure Odilie.

An Emma und Richard viele Grüße. Letztern werde ich antworten auf seine sonderbaren Voraussetzungen .

Sage Weldens nichts von dem was Hr. Heine gesagt auch nicht wie wenig es mir hier gefällt, aber viele Grüße.

Zitierhinweis

Von Odilie Richter an Caroline Richter. Würzburg, 21. Oktober 1823, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0198


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S.