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Meiningen den 14ten Märtz 1809

Lieber guter Emanuel!

Mit innigem Vergnügen fühlte ich mich durch Ihren freundlichen Brief berechtiget, Ihnen zu schreiben und Ihnen, für die mir dadurch geschenkte Freude zu danken. O, wenn Sie wüßten, wie erhebend für mich die Ueberzeugung ist, daß Sie mich Ihres Andenkens für würdig halten, Ihr Engelsgemüth, welches nur das Glück anderer wünscht, würde zufrieden seyn, mit der Gabe die Sie mir schenkten.

Nur ein Herz wie das Ihre, konnte meine scheinbare Vernachlaßigung unserer Caroline so gut behandeln!

Ihnen, lieber Emanuel, immer wahr und nie beßer zu erscheinen als ich bin, war der Zweck meines Auftrages an unsere Caroline. Ein Gruß aus einem Ihrer Briefe an Henriette, ließ mich fürchten, daß Sie mich für gebildeter und beßer hielten als ich bin , und jene lieben Zeilen, die Sie mir zum Eigenthum bestimmten bestätigten meine Vermuthung. Bey dem Widerwillen welchen ich vor allem falschen Schein haben, bey dem Vertrauen welches Ihre nachsichtsvolle Güte einflößt fühle ich mich gedrungen |2 den Schleyer zu heben, welcher Ihrem – an Kindern so gern das Gute erspahendem – Auge meine Schwächen verhüllt und das wenige Gute in einem magischen Licht gezeigt hat. Die schwesterliche Liebe, welche die Wahrheit deßen was sie für mich wünscht, zu sehen verleitet wurde; ließ Sie glauben ich wende meine Zeit immer nützlich an. Wie weit bin ich noch von diesem höchsten Ziel meines Bestrebens entfernt – –. Erstlich muß ich mir Störungen aller Art gefallen laßen, wenn ich nicht ganz die nachgebende Weiblichkeit verläugnen will zweitens versteh ich bey weitem nicht die Kunst jeden meiner Willkühr überlaßenen Augenblick festzuhalten und vielleicht mehr als die Hälfte meiner Zeit entflieht ungenüzt

Es sey mir jedoch erlaubt zu sagen, daß Ihr Glaube an meine volle Thätigkeit die würksamste Aufmunterung ist, um die gute Meynung welche Sie von mir haben zu erreichen, und wenn ich einst Ursache habe, mit mir selbst zufriedener zu seyn, so wißen Sie welchen Antheil Sie daran haben.

Daß Sie jezt noch mehr Geschmak am Lesen |3 finden, als sonst freut mich sehr. Es ist dies gewiß die würdigste Erhohlung eines Wesens welches, so wie Sie, seinen Platz in der Welt ausfüllt. Ein gutes Buch ist nach meinem Gefühl eine herrliche Sache. Wir finden da so oft Gedanken ausgesprochen die tief in uns verborgen lagen, und die Klarheit mit welcher das Schöne und Gute dargestellt wird lehrt uns die hohe Abkunft des Menschen im vollen Licht erkennen; zu oft wird diese letztere im handelnden Leben verläugnet als daß es nicht nothwendig würde sich die Gewißheit ihres Daseyns zuweilen zu wiederhohlen – – Lebten wir unter Engeln, so glaube ich, wir dürften die Freuden des Umgangs nicht erhöhen; der Gedankenaustausch würde allgemein seyn; allein, um den Engelsmoment am Menschen, wo er sich uns immer darbieten möge, aufzufaßen, und den Erdgeist zu übersehen, bedürfen wir Würkungen, wie sie uns, unser geliebter Richter, ein Herder, etcetera reichen – – – Gern möchte ich das Entzücken mit Ihnen theilen |4 wenn Sie so ganz versungen in die Herrlichkeit der Schöpfungen dieser Edlen Ihre Freude darüber durch einen zum Himmel gerichteten Blick ausdrüken. – Vielleicht, so denke ich oft, schenkt uns der künftige Sommer die Freude, Sie in Meiningen zu sehen, beleben Sie diese Hoffnung des Wiedersehens recht bald durch freundliche Briefe und glauben Sie daß die Beantwortung derselben immer zu meinen liebsten Beschäftigungen gehören wird.

Leben Sie glücklich, guter Emanuel!

Antonie

N.S. Wollen Sie wohl entschuldigen wenn die Inlagen Sie zum Fürsprecher bey den Empfängerinnen wählen.

Zitierhinweis

Von Antonie von Mützschefahl an Emanuel. Meiningen, 14. März 1809, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0252


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Textgrundlage

H: Slg. Apelt
1 Dbl., 4 S. Briefnummerierung vfrH.


Korrespondenz

B: Von Emanuel an Antonie von Mützschefahl. Bayreuth, 14. Januar 1809
A: Von Emanuel an Antonie von Mützschefahl. Bayreuth, 14. August 1809

Präsentat: 14 Aug. beantw.