Von Adelheid von Bassewitz an Caroline Richter. Berlin (?), zwischen dem 4. und dem 27. Juli 1801

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Meine theure liebe Caroline

Du kannst es Dir kaum vorstellen wie s sehr ich durch Deine liebe Zeilen überrascht und erfreut wurde. Ich war vergangnen Montag bei meiner Tante mit Deinem lieben Vater zusammen. Meine erste Frage an ihn war: Sind Nachrichten von unserer Caroline da? – Ich habe einen Brief von ihr antwortete er u sie schreibt auch sie würden Nachrichten von ihr erhalten, wenn sie etwas mehr in Ruhe wären . Aufrichtig gestanden kränkte es mich, daß meine beste Caroline nicht einen Augenblick für ihre Freundinn gefunden hatte, ich entschuldigte Dich, meine liebe gute Seele aber sogleich mit allen Gründen die sich mir darbieten wollten. Als man schon in Begriff war von Tische aufzustehen brachte ein Bediente mir Deinen theuern werthen Brief ; ich erkannte nicht gleich die Hand weil es mir nach der Aussage Deines Vaters nicht entfernt einfiel: er könne von Dir sein. – Beurtheile nun, wenn Du kannst meine unbeschreibliche Freude. Wie danke ich Dir meine beste gute Caroline für die Freundschaft die aus jedem Worte, der mir so werthen Zeilen spricht |2 doch danken läßt es sich ja nicht für Liebe, nicht für herzliche Freundschaft – Erwiederung verlangt das Herz u die findest Du im vollen Maaße bei mir. Wie viel habe ich empfunden als Minna mir schrieb , der für meine Caroline so feierliche Tag sei nun vorbei, nur einen Augenblick hätte ich Dich an mein Herz drücken mögen; ein Blicke würde mehr gesagt haben als alle Worte. Wer hätte auch die Wichtigkeit u Feierlichkeit des Tages an welchem man sich ganz u ungetheilt dem Manne hingibt, den man liebt, mehr mit Dir empfinden können als ich? Denke ich an den Gefühlen zurück die an jenen Tage mein Herz so mächtig bewegten, so mögte ich weinen nicht zu Deinem Troste zu Deiner Beruhigung an Deiner Seite gewesen zu sein. Nein, der Tag einer ewigen Verbindung ist nicht der glücklichste des Lebens, Du hast es schon empfunden, meine Theure, wie viel glücklicher, die des ungetrübten ungestörten Besitzes, die der Ruhe u Häuslichkeit sind. Mit welchen Riesenschritten [...] geht das Vertrauen nach jenem Tage vor sich, wie viel werther wird der Mensch mit dem man nun auf's innigste vereint ist. Ich fühle Dein Glück mit Dir, Du gute liebe Seele. möge der Himmel es Dir immer ungetrübt u rein erhalten.

|3 Ich habe Deinen ersten Brief aus Weimar zum Theil gelesen, wie interreßant muß Deine Reise in jeden Betracht gewesen sein, an der Hand Deines so mit Recht geschätzten Mannes lerntest Du die merkwürdigsten Männer Deutschlands kennen; in Weimar öffnete sich Dir eine Fülle von Genüßen die ich kaum zu faßen vermag. Die Gegenden, welche Du nachher durchreistest denke ich mir himmlisch schön, ich bin fast unzufrieden, daß Du mir nicht mehr über die viele neue Gegenstände die sich Dir darboten, schreibst. Von mir sollst Du desto ausführlicher hören wie sehr meine Reise mich befriedigt u beglückt hat. Noch nie hatte ich die Mauern Berlins verlaßen, u eine neue Welt that sich mir auf als ich mich nun immer weiter u weiter davon entfernte, jedes blühende Feld machte mir Freude, die kleinsten u geringsten Gegenstände wurden von mir bewundert, ich faßte mit Begierde alles auf denn selbst das ewige Fahren war mir neu u aus diesen Grunde angenehm. Mecklenburg ist ein gesegnetes Land, überall fand ich lachende Dörfer schöne Felder u fröhliche Menschengesichter u ich selbst war unbeschreiblich glücklich mich in der Welt etwas umzusehen. Wie erhob u entzückte mich, jeden das Auf u Untergehen der Sonne u wenn der Mond uns |4 freundlich anlächelte u des Nachts unsern Weg mit sanften Schimmer umgab, so fühlte ich mit unbeschreiblicher Wonne, den Allliebenden überall in seiner ganzen schönen Natur. Nach einer Reise von dreimal 24 Stunden kam ich in Wismar an; hier erwartete mich der herrlichste u reinste Genuß in der Bekanntschaft der verehrten Mutter meines theuern Fritz. Es ist nicht möglich die Empfindungen zu beschreiben, die mich fast überwaltigten, beim Anblick der Person, welche er so innig liebt u der er sein Dasein verdankt. Das tiefe Gefühl, was ich in jeden ihrer Blicke las, als ihr geliebtester Sohn ihr sein Weib zu führte erhöhte noch meine Rührung. ich konnte nicht sprechen u nur nachdem sie mich recht oft ihre Tochter, ihr liebes Kind genannt hatte bekam ich wieder einige Faßung. Du bist nicht so glücklich gewesen die Mutter Deines Richters kennen zu lernen, aber gewiß kannst Du Dir meine Empfindungen in den glücklichsten Moment meines Lebens erklären. Nicht ganz befriedigend war mir die Bekanntschaft mit den Schwestern meines Mannes ; sie waren alle bei unserer Ankunft im Hause der Mutter versammelt, mein Herz floß über von Liebe Zärtlichkeit für alle die Menschen, die in nähreren Verhältniß mit meinem [...]

Zitierhinweis

Von Adelheid von Bassewitz an Caroline Richter. Berlin (?), zwischen dem 4. und dem 27. Juli 1801. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0254


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt. Auf S. 4 Tintenflecken.


Korrespondenz

Zur Datierung: Adelheid von Bassewitz erwähnt wahrscheinlich den Brief, den Caroline Richter am 4. Juli 1801 an ihren Vater geschrieben hat. In ihrem Brief vom 27. Juli 1801 an ihren Vater bestätigt Caroline Richter den Erhalt des vorliegenden Briefes.