Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig, nach dem 22. September 1802

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Meine geliebte Caroline, Du hättest schon längst wieder einen Brief von mir, für die beyden lezten von Dir erhalten, wenn ich nicht einige Unruhe in meinem Hause mich vom schreiben abgehalten hätte. Es logierten auswärtige Verwandte meines Mannes be einige Wochen bey uns. – Dein erster Brief giebt mir die Versichrung daß Du Dich wohl und gesund fühlst, – und, Gott sey Dank nicht auf mich zürnst.Dein zweyter Brief empfielt mir eine Person , welche Gelegenheit hatte, Dich oft und in bedeutenden Situationen zu sehen. Es müßte mir daher sehr intereßant seyn, sie kennen zu lernen, und – als völlig so achtungswerth, wie Du sie mir schilderst – und – mir recht viel von Dir erzählen zu laßen. Außer dem ersten Besuch den sie mir machte, ladete ich sie noch zu einem zweyten zu mir ein, wo sie einen Mittag mit uns zu Tische war, und den Na übrigen Theil des Tages bey mir blieb, wo sie sich dann beinah in Mittheilung jeder Kleinigkeit die Dich betraf, erschöpft hat. Sie versprach mir noch einige mal ehe sie L. verließ, zu mir zu kommen doch hat sie bis jetzt, und wie ich glaube aus Bescheidenheit nicht Wort gehalten. Ich kann nicht sagen, wie sehr dies Mädchen mir gefallen hat. |2 Daß ich Deine Wünsche in Rücksicht eines gestrickten Polrocks und Müzchen mit Freuden erfüllen werde, und schon daran [...] das Werke angefangen habe, daran wirst Du nicht zweifeln! – Aber daß Du mir die Baumwolle dazu schickst, mußt ich beinah übelnehmen. Und es bleibt mir nun nichts übrig als sie Dir gelegentlich wieder zurückzuschicken, denn Du wirst mir doch die Freude gönnen wollen, Dir für dein kleines Wesen im eigentlichen zu Sinne etwas zu geben. Und auf die Art wäre es ja ganz komisch! –

Ich lege Dir hier den Brief vom Vater bey den ich gestern Abend erhielt. Die Nachricht welche in ihm enthalten ist wird Dich überraschen und auch nicht. Daß er heirathen wollte wußtest Du ja längst. Doch der Gegenstand seiner Wahl war Dir ganz fremd. Mir hatte er – in einem Briefe früher davon geschrieben, doch unter dem Siegel der Verschwiegenheit. – Wir kennen beyde diese Henriette Cäsar gar nicht oder nur dem Rufe nach. Gesehen haben wir sie wenn Du diesdich erinnerst einmal in der französischen Kirche . Gott gebe daß der Vater glücklich ist wird! Schreibe Du mir doch recht bald Deine Meinung.

Den Brief sey so gut mir bald, oder gleich zurück zu schicken, wegen der darinn enthaltnen Aufträge.

|3 Du frugst schon einige mal, was Minna, zu Deinem Glück, sagt? – Wenn Du ihr selbst schreiben willst so thue es doch bald. Denn du kannst wohl voraussezen, daß sie das von Dir erwartet. – Ich war noch in Freiberg als sie von meinem Manne zuerst die Nachricht empfieng. Wie er mir sagt, ist ihre Freude groß und unverstellt gewesen. Auch wollte sie Dir damals gleich schreiben, um Dich vor den Unbesonnenheiten zu warnen, durch welche sie sich in ihren ersten Wochen so schreckliche Folgen zu zog. Warum sie es aber doch unterlaßen hat – läßt sich wohl denken. Wenn Du überhaupt von ihr Nachrichten wünschst, so thust Du nicht beßer als selbst an sie zu schreiben. Ich sehe sie in der That zu selten. Schreibst Du, so bitte ich Dich den Brief grade zu an sie zu addreßiren, und nicht erst durch meine Hand gehen zu laßen. Ihre Addreße ist: vor dem Peters-Thore, im Karthauschseschen Hause.

Nun meine liebste Caroline, muß ich schließen. Du wirst es dem Briefe anmerken, daß er etwas eilig geschrieben ist. Um ihn noch heute zur Post zu spedieren geschieht es. Den Kattun zum Kleide besorge ich Dir und was Du noch sonst wünschest schreib es mir kurz meine

liebste Seele! Lebe recht wohl.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig, nach dem 22. September 1802. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0256


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S. Auf S. 1 Datierung vfrH: [Anfang Oktober 1802?].


Korrespondenz

Zur Datierung: Am 22. September hatte Ernestine Mahlmann an Ihren Vater geschrieben, dass sie die Verlobungsanzeige, die er ihr geschickt hatte, an Caroline in Meiningen weiter senden würde. Angesichts der überraschenden Verlobung ist dies vermutlich zeitnah geschehen, der Brief also am 22. September oder einen Tag später abgegangen.