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Welkers den 14 Jun 1805

Liebe, beste geliebte Freundin!

Ich glaubte mich ganz von Ihnen vergeßen, als ich vor Monath u. länger Ihre Briefe erhielte. Gute Seele, Ihrer Leiden waren viel! Gott laß es Ihnen ewig wohl ergehen! Die Natur stärkt Ihren wackern Mann mit der dauerhaftesten Gesundheit Ihre Kinder werden groß u. Gut ohne große Sorgen. Der Himmel erzeigt uns viel gutes wir sind recht gesund u. können mit heiterm u. frischen Muth die Tage des Frühlings [...], wir sind jetzt 13 volle Tage u. Nächte in Welkershausen gewesen, wo wir die volle Aepfel Blüthe u. einen herrlichen Mond genoßen haben – es wurde heuer lange ehe der Frühling kam. Ich wünschte Sie recht oft, recht oft! zu mir, nur ein Stündchen guter Himmel! möchte ich die Richtern bey mir haben – Ihren Mann mögte ich wohl auch wieder sehen Disen mögte ichs nicht offen gestehen – denn es wäre nur Zudringlichkeit v. meiner Seite, weil er Meinungens Herzlichkeit nicht erkannte nicht achtet. Unsere alte gute Harpfen |2 einfach aber doch klar, hell erklingen Töne wenn sie recht gegriffen werden – mann kann dem Spieler ja oft mehr Schuld beymeßen als dem Instrument –.

Ihre gute Schwester die mir Ihre Lohre noch so herrlich schilderte, die Lore bath mich inständigst Ihren guten Mann u. Kinder recht sehr zu grüßen, sie hatte sich verwandelt, was ihr aber nicht schön stand – sie hatte sich vornehm getragen.

Ihr gütiges Zutraun, wegen Aufsätze in die elegante Zeitung mehrte ich dadurch, daß ich einen gewißen Herrn Ritter, Pfeffel u. Engelmann gebethen habe in Frankfurth, den Doctor Jahn u. meinen alten treuen Freund Reinewald den mir vorgestern beykommenden Aufsaz überschikte – ich finde die Sache richtig: jetziger Zeit paßend u. wahr gesagd. Mein Karl Schwendler besuchte mich seid 14 Tagen hier u. wo ich ihn so recht frey genießen kan weil er mit meistens bey mir hier ist, er ist recht prav u. gut, er geht in einigen Tagen weg in die Schweiz wo er eine neue Stelle bekomt. Ernst Schwendler ist jezt zur See nach Amerika , es gieng ihm schwer ein.

Ist die Sage wahr daß Ihr Mann Bareuth |3 verläßt und nach München geht? Mit meiner Louise Kessler, die seid den September mit der Herzogin nach Marseille gieng , [...] nicht gut, die Herzogin die sonst 10 Menschen zu ihrer Bedienung hatte reduzirt sich auf das einzige unerfahrne Mädchen – lange hörte ich nichts, als in Merz die Herz. v. Gotha an unsere Herzogin schrieb u. sich sehr über das Mädchen klagte Der Brief war so gemein daß ichs nicht ohngerügt laßen konnte. unsere Herzogin gab d. famösen Br. mir zu lesen unter andren war eine Beschuldigung ganz deutlich: Louise habe ihr Ketten bendern genommen –. ich schrieb an die Herzogin nach Marseil, ganz deutlich offen u. frey ich konnte mit guten Gewißen zu ihr reden, den das war ihr freyer unaufgeforderter Wille u Eigensinn sie wollte durchaus das Mädchen in Dienst – mein Jesus. Sie [...] Brif würckte gut die Meininger Harpfen Stadt Prinzeß gab andere Töne Jezt erhalte ich Nachricht daß die sie Herzogin in Frankfurth nahe am Todt liegt , wo Louise erbärmliches ausstehen muß.Fr. Landgräfin in Barchfeld unsres Herzogs Schwester ist auch Tod, eine rechte prave, liebe gut Frau. Der Geheimte Rath u. seine Tochter sind wohl u leben immer so aufen alten Fuß. Die arme Reinwald verlohr ihren Bruder Schiller , das sie ganz nieder drückt. Frau Schwendler geht immer so ihre Wege – inconsequent, wie immer – jezt geht sie nach den Liebenstein wo |4 sie ihrer Gesundheit leben will, mit der Amand Pauline, einer Jungfer u. vielleicht auch ihre Bediente – sie besuchen uns noch oft, Pauline ist ein gar gutes Kind, das kaum den Todt endgangen ist. Was macht mein lieber Freund Emanuel? seiner erinnere ich mich oft hier – kommte er einen so heitern schönen warmen Tag einen so hellen Abend! es war so kalt und rauh als er bey uns war, kommen Sie u. Emanuel zu uns, Sie haben uns beyde lieb u. nehmen mit Herzlichkeit vorlieb. Unsers Vetter Wagners Roman gefällt sehr wohl, er scheidet sich aber gewiß auch aufallend von den gewöhnlichen Romanen, er behagt recht gut. Paul Richters Pflegeljahren, gefallen meinem Mann sehr wohl, es ist das erste Buch in vielen Jahren daß mein Mann ließt nicht aus Mangel des guten Tons – aus mangel der Zeit – es ist aber auch herrlich u. ganz Vortreflich unübertreflich schön – schrieb dises nicht Paul Richter in der herzoglichen Stadt Meiningen ? jede wer es noch von meinem Haußfreunden las – ich war gleichsam gestärkt – es ist was ausgezeignet schönes so hieß es – Gute, liebe! Könnte ich Sie sehen sie an mein Herz so recht innig drüken – Grüßen Ihren Großen Mann. Der Emma erzählen Sie von einer alten HeimsPathe die die Kinder sehr u herzlich liebt. Sagen Sie Sich daß Sie mir bald wieder schreiben sollen. Ihre treue Heim Grüß u. Küß dem Emanuel

Zitierhinweis

Von Johanna Heim an Caroline Richter. Welkershausen, 14. Juni 1805. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0260


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H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.