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Meiningen den 4ten Xmbr
1802

Ich verweile so gern, bei dem schönen Traum, daß es für Seelen nicht der Annäherung des Körpers erst bedarf, um sich durch Harmonie verbunden zu fühlen, – ja! es giebt Augenblike wo ich mich zu Wesen hingezogen dencke, deren politische oder bürgerliche Existenz ich nicht weis und die mir im weiten Raum doch recht nahe zu seyn erscheinen – daß Sie mir, guter Emanuel, schon erlauben müßen, jenen auch für unsre nicht persönliche Bekanntschaft gelten zu laßen, und Sie aller Anhänglichkeit die dem Freunde gehört, zu begrüßen.

Ich war lange sehr kranck, und konnte Ihr Andencken nicht erwiedern welches mir einstmahl unsre Freundinn Caroline hinterbrachte . Das Leben war mir da so düster, meine Freuden gestöhrt |2 jetzt aber bey wieder erlangter Gesundheit, wo alles neue Reitze für mich hat und jedes Gefühl stärker und inniger in mir spricht, jetzt dancke ich Ihnen herzlich.

Es that mir leid, Sie bey Ihrem Hierseyn verfehlt zu haben daß Sie im Sommer Liebenstein nicht besuchten und daß auch der schöne Herbst Sie zu keiner Reise nach Meiningen bewegen konnte. Nun Richter nach Coburg zieht . ist wohl alle Hoffnung verschwunden Sie hier zu sehen. Als ich mein Haus hier bezog, war es mir ein gar lieber Gedancke, Sie in demselben einmahl aufzunehmen, ich tändelte mit der Freude für Sie das freundlichste Zimmer einzurichten, jetzt steht es verwayset! Wird es so bleiben? –

Richters Abreise schmerzt mich tief, |3 so wenig ich auch außer dem Zirckel der meinigen Zerstreuung suche und stilles inniges Glück mich im Besitz meines Mannes und meiner guten Kinder umfaßt, so ist mir doch die Nähe eines Freundes wie Richter – in der ich seit Jahren lebe – zum Bedürfniß geworden. Mein Verhältniß zu ihm auf Wahrheit und Vertrauen gegründet, kann mir, wenn Entfernung es beschränckt, durch nichts ersetzt werden; an seinen kräftigen Geist ermannte ich mich oft in Augenblicken, wo ich nur durch ihn ermuntert werden konnte und seine Unterhaltung war eine Nahrung für mein Herz die ich nirgends mehr finde; So war mir sein Umgang, und nun der von Carolinen der Weiblichen wie viel verliere ich da nicht!

Ich darf nicht länger dran dencken |4 und daß ich klage können auch Sie der Freund des Freundes nur annehmen, ohne es bey dem ersten Briefwechsel, nicht für unbescheiden zu halten.

Wenn Sie mich mit einer Antwort erfreuen, so sagen Sie mir ob ich Ihnen wohl einmahl einigen Schmuck zur Ansicht schicken darf. Ich möchte ihn verkaufen, da ich aber hier keine Gelegenheit habe und mir auch niemand seinen ehrlichen Wert sagt, so wende ich mich an Sie, auf Richters Geheiß.

Mein Mann empfiehlt sich Ihnen mit Achtung und Liebe, Sie ließen einen so wohlthätigen Eindruck in seinem Herzen zurück, daß er mir recht oft von Ihnen spricht.

Leben Sie wohl, guter Emanuel meine Seele ist Ihnen nahe.

Henriette
Schwendler

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Emanuel. Meiningen, 4. Dezember 1802, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0261


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Textgrundlage

H: Jean Paul Museum Bayreuth, Hs JP 19
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Henriette Schwendler. Bayreuth, 22. Dezember 1802