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|1 Abschrift.

Geliebte Antonie!

Wenn ich Dir nicht früher schrieb, so war es oft Krankheit, oft auch die grosse Neigung, Dir meine Sehnsucht nach Deiner Rückkehr auf das dringendste kund zu thun, die mich davon abhielt, es war besser letzteres bis auf eine Zeit zu verschieben, wo Dir die Wichtigkeit dieses meines Wunsches mit den stärksten Farben in die Augen leuchten wird, – – – –; wo Dir diese Zeilen die Bestätigung meiner Vorahndungen meinen Tod, und in diesem Falle meine zärtlichsten Bitten mittheilen sollen, welche in nichts geringerem bestehen, als Dich, wenn Dein Herz, Deine Gesundheit und Deine Geisteskräfte Dir nicht etwa andre Pläne vorzeichneten, auf Adlersflügeln in Dein Vaterland zu den mutterlosen Kindern Deiner Schwester und ihren zärtlichstgeliebten Gatten zurückzubegeben – – ich glaube Dir dadurch |2 den wärmsten Beweis meiner Liebe, meines Vertrauens, und meiner Hochachtung zu geben, wenn ich Dir das Beste und Liebste, was ich hier besaß, mit Zuversicht überlasse, – es ist ein schöner Wirkungskreis, der sich Dir dadurch öfnet – ich bitte Dich, fliehe ihn daher nicht ohne Noth! —

Hätte aber Dein Herz etwa eine glückliche Wahl getroffen oder ein andrer vollwichtiger Grund nöthigte Dich meine Wünsche unerfüllt zu lassen, so möge (wenn es mir anders vergönnt bleibt) mein Seegen aus der Ferne sich Dir auch dann mittheilen, wenn auch Dein Glück mit dem meiner andern Lieben ungetheilt bleibt, Dir sagen, daß ich auch ohne Eigennutz Dein Wohl zu fördern bereit bin: – in diesem Falle nehme ich die schöne Überzeugung mit ins Grab, daß der Himmel dennoch für die geliebten Kleinodien meines Herzens sorgen wird, da unsre edle treue Freundin Salchli mir |3 das tröstliche Versprechen leistete, nicht eher unser Haus zu verlassen, als bis sie in Deine Hände mein Vermächtniß legen könne; müßtest Du Dich aber davon lossagen, so will sie die treue edle Freundin, die Kinder einer zärtlichen abwesenden Mutter, den edlen Gatten ihrer aufrichtigen Freundin nicht ohne Stütze lassen: – Wir haben Rücksprache über alles, was diese lieben Gegenstände – auch was Dich betrift, für jeden Fall in sofern genommen, als es sich für eine ungewisse Zukunft thun lässet, sie kennet das Herz des Mannes und der theuren Pfleglinge, die ich ihr oder Dir zurücklasse; – sie hat die Sorgfalt mit uns Eltern für letzere treu getheilt, mir mit ihrer angebornen Bescheidenheit manchen herrlichen Wink in der Erziehung gegeben, kennt und billigt unsre Wünsche für das Gute, Edle, Einfache und nicht Überspannte, hat Linchen, das, was sie weiß, meistens gelehrt, denkt auch über |4 die körperliche Pflege der Kinder sehr gleich mit mir, und wird entweder selbst oder durch Dich an ihnen das Beste fördern helfen: Deine Überzeugung über ihre Anlagen für die Bildung junger Seelen brauche ich hier wohl nicht erst zu bestätigen – genug darüber, wenn ich Dich bitte, da wo Dir Erfahrung fehlen könnte, ihren Rath mit dem des verständigen Vaters zu vereinigen, und ohne Sorge anzunehmen: und so gehe ich ruhig über die Kinder aus der Welt; – mein Dank – mein Segen wird Euer Werk krönen.

Aber über das Schicksal des besten, des edelsten Gefährten meines Lebens – bin ich nicht ganz ruhig. Ich lasse ihm freilich noch einige kleine Vorschläge für sein Glück hier zurück, wo ich ihm auch entweder Dich selbst oder eine Antwort von Dir auf meine Bitte, ob Du die Pflege unserer Kinder übernehmen kannst und willst, oder |5 nicht, verkündige; – ich war indeß so glücklich ohne mein Verdienst und Würdigkeit, seine volle unbegränzte Liebe zu besitzen; er rechnete mir meine reine Gegenliebe als ein Verdienst an, – er war partheyischer Vertheidiger meiner vielfältigen Fehler und nun wird das wenige Gute, was ich besaß, durch mein Entbehren im StralenGlanze ihm vorschweben – da, fürchte ich, unterliegt sein Herz in der Länge dem Schmerz und ergreift seine Gesundheit. Dies darf weder ich, weder meine gute Antonie, noch die edle Freundin zugeben. Sorget liebreichst auf allen edlen Wegen für seine Erheiterung, seine Stärkung, – denkt so bald auf eine Reise, die Leib und Seele erquickt, wählt einen gesunden Sommer-Aufenthalt für ihn und die Kinder, gewährt ihm die Unterhaltung über und mit den Kindern, so oft es nur immer |6 möglich ist. Helft ihm zu einer Wahl. Jedes edle weibliche Wesen, verwandt oder nicht verwandt, im glänzenden, so wie im Leingewande, die ein Herz, so wie das meine, in sich für ihn und die Kinder schlagen fühlt, für welche auch der Theuerste das fühlen und leisten kann, was er grosmüthig für mich zu fühlen und zu leisten im Stande war, sey mir willkommen auch in der Ferne! Beyde werden dann glücklich seyn und die Kinder den Entschluß freundlich bestätigen helfen, und dann ist mein letzter innigster Wunsch erfüllt. Fände er nichts für sein Gefühl und sein Herz: so wird das warme Bestreben der Freundin oder Schwester gewiß dahin gehen, ihn zu trösten, seine Einsamkeit zu verschönern, und endlich, hoffe ich, soll Zeit und Gewohnheit ihre Wirksamkeit auch an ihm nicht unbestätigt lassen, er wird vielleicht auch |7 allein ruhig und wieder zufrieden werden.

So lebe denn auch Du glücklich in jedem Verhältnisse, das Du erwählest; bleibe edel und gut, Du mein halbes, ältestes Kind, sey meinen jüngeren Kindern alles, was Du ihnen ohne Zwang seyn und werden kannst, und wenn es Dir einst recht gut geht, so denke, daß vielleicht die treuen Wünsche einer Schwester etwas dazu beytragen, die sich stets gerne nannte,

Deine zärtliche Schwester
Friedericke.

Breslau
den 17.ten Februar
1811.
Zitierhinweis

Von Friederike Christiane von Fischer an Antonie Mützschefahl. Breslau, 17. Februar 1811, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0291


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Textgrundlage

h: ehemals Slg. Apelt
6⅔ S. Auf Dbl. oder in ein Heft geschrieben.


Korrespondenz

Im Auftrag von Emanuel kopiert, der eine Kopie auch an Jette Braun schicken wollte.