Von Caroline Richter an Ernestine Mahlmann. Bayreuth, 16. Februar 1805, Sonnabend

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Sonnabend den 16 ten Februar

Meine Tine

Erst seit vorgestern bin ich über Dein unbegreifliches Stillschweigen, zwar auf eine traurige Art beruhigt was mich bis dahin so sehr gequält hatte, denn ich dachte endlich auch Du wärest gestorben .

Ein Fremder der aus Freiberg kam, bracht uns die Nachricht, die arme unglükliche Minna sei an Scharlachfieber gefährlich krank gewesen, doch jezt wieder auf dem Wege der Beßerung. Welch hartes Loos, für sie und Dich, armes Wurm, die das alles mit tragen muß. Wer anders als du, konte ihre Pflegerin, und die Mutter ihrer Kinder unterdeßen seyn, und was must du gelitten haben – Gott gebe, daß du gesund geblieben bist, und nicht auch unter der Last dieses Elends erliegst – ich klage mich fast an daß der Zufall mich von aller thätigen Theilnahme ausgeschloßen hat, so unschuldig ich auch daran bin – wie gerne möchte ich alles mit Euch theilen. Ich kann nun nicht fodern, daß Du mir bald Nachricht giebst, doch denke an mich u die Pein der Ungewisheit, sobald Du Dich etwas erholt hast, mein armes Herz u sage mir nur mit einigeen Worten |2 wie es Euch geht. Nächst der Bestätigung von Minna's Genesung, liegt mir nichts näheres am Herzen, als wie es mit ihrem Vermögenszustand beschaffen seyn mag, ob die Arme noch Schulden abzutragen hat, u wie der Vater sich gegen sie nimmt, der sich kalt genug in einem Briefe an mich über des armen Spaziers Tod , gegen mich geäußert hat.

Rathe Minna, aus Politik zu etwas mehr Herzlichkeit gegen mich, wenn sie von meinem Mann etwas zu haben wünscht. Und, daß sie lieber ihre Bitte durch mich an ihn thun läßt. Seine G Meinung von ihrem Egoismus flößt ihm s einige Kälte gegen sie ein, ob er gleich ihr Loos sehr hart findet. Auch, wenn sie egoistisch gegen Dich war, in diesen unglüklichen Situation, wo Dein Handeln u Deine Liebe ihre Stüze waren, sage mir das nur auf einem besonderen Blatt ds ich für mich behalten kann. Mein Mann fand ihren Brief an ihn schon zu manierirt, u tadelte daß sie der |3 [...] von ihrem Unglük sprach. [...] Du keinen Gebrauch von meinen [...] machst bei denen ich nichts im Sinne habe, als ihren der Minna Vortheil, denn Gott weis, daß ich nichts pratendire, u das alles sogar ungerecht finde.

Ich kann Dir nichts weiter sagen, mein Herz bis ich etwas von Dir höre, indeßen mag dieser Brief immer fortlaufen, um Dir wenigstens auch nebenher zu sagen, daß ich mit den Kindern wohl bin. Grüße Minna sehr – sie dauert mich unaussprechlich – wenn ich nur mehr von ihr wüste! Grüße sie u Deinen herrlichen Mann der auch seine Noth mit derZeitung haben mag. Gott segne, u erhalte mein gequältes Herz!

Deine Caroline.

Gieb doch ja gleich diesen Brief auf die Post.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Ernestine Mahlmann. Bayreuth, 16. Februar 1805, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0298


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S. Textverlust durch Ausriss der linken oberen Ecke von S. 3. Unter dem Datum vfrH: 1805.


Korrespondenz

Der Brief erreichte Leipzig nach dem Tod Ernestine Mahlmanns und wurde ungeöffnet von deren Ehemann Siegfried August Mahlmann an Caroline Richter zurückgesendet, vgl. den Brief Caroline Richters an Johann Siegfried Wilhelm Mayer vom 25. Februar 1805.