Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Mayer. Leipzig, 14. April 1802, Mittwoch

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Am 14ten Aprill: 1802.

Mein theurer Vater,

Der InhaltIhrer beyden lezten Briefe an meinen Mann und an mich , warso niederschlagend für uns , daß es eines Aufschubs meiner Antwort bedurfte. – Sie werden das vielleicht nicht unnatürlich finden, wenn Sie sich einen Augenblick an unsre Stelle sezen, die wir, seitdem wir Berlin verließen, an der himmlischen Vorstellung Ihres Aufenhalts in unsrer Wohnung hingen, und seitdem uns nur damit beschäftigten, die schöne Zukunft in unsrer Phantasie mit tausend herrlichen Farben auszuschmücken. – Mir muß die Störung dieses Plans in doppelter Hinsicht schmerzhaft seyn. Nicht so wohl um mein selbst, vielmehr um meines Mannes willen, welcher auf die Erfüllung dieses Wunsches einen hohen |2 hohen Werth legte. – Doch aber würden wir, Sie nicht in der unangenehmen Alternative gesezt haben, zwischen uns und Spaziers wählen zu müßen, wenn wir gewußt hätten daß diese uns mit einer Einladung zuvor gekommen wären. – Denn es war ja immerfort frey die Rede davon wie mein Mann darauf rechnete, und Spaziers äußerten nie ihre Absicht.

Doch es wäre kleinlich, darüber empfindlich zu seyn! – Es darf hier, wenigstens unter ihren Töchtern, nicht von Selbstgenuß die Rede seyn; sondern es komt nur einzig darauf an Ihnen, mein guter Vater, den Aufenthalt in Leipzig so angenehm als nur immer möglich zu machen. Übersehen Sie daher, |3 wo möglich, den Eingang dieses Briefes ganz, und halten Sie sich vielmehr an der meiner lezten Äußrung, welche aus dem Innersten meines Herzens komt, und nur die Versichrung enthält, daß von meiner Seite wie nahe oder entfernt ich Sie auch haben werde, von meiner Seite, alles, zur Erreichung, dieses höhern Zwecks geschehen soll – was ich nur vermag.

Mit ihrem Vorsaz, nicht der Meß-Zeit beizuwohnen, bin ich jetzt auch ganz einverstanden, weil Sie wir freylich an ruhigem Genuß unendlich gewinnen. – Wenn gleich auf der andren Seite, unser erster Vorschlag manches für sich hat. Ich bildete mir wenigstens ein, daß es einen Genuß für Ihren |4 Geist seyn würde, manchen intereßanten Menschen, deren sich in dieser Zeit, so viele hier vereinigen, kennen zu lernen. – So ist mir oft bange, daß Sie wohl in Leipzig Langeweile haben könnten. –

Den Profeßor Burnat bin ich so unglücklich gewesen ganz zu verfehlen – und habe dadurch recht viel verloren! Denn mündliche Nachrichten selbst von Ihnen, mein guter Vater, wären mir so werth gewesen, weil sie mehr sagen, als tausend Briefe. – Wir waren an dem Tage seines Hierseyns, daßs nur auf so wenige Stunden beschränkt war, schon früh um 7 Uhr über Land gefahren, und am Abend erhielten wir Ihren Brief, mit der Nachricht, daß B: schon wieder abgereißt sey. Ich war recht traurig! –

Von Caroline habe ich, auf meinem lezten |5 Brief noch keine Antwort, und weiß daher noch immer nichts bestimmtes, über ihre Herreise. Von einem Dritten, hörte ich vor wenigen Tagen Richter käme in der ersten Meß-Woche hier an. Ich sehne mich recht nach einer entscheidenden Antwort – doch die Caroline lebt gewiß jetzt in Zerstreuungen; ich weiß daß Bayreuth Richters Freund aus BayreuthEmanuel – jetzt dort ist , und darüber wird sie wohl alles andre vergeßen.

Mein Mann wollte heut auch an Sie schreiben; doch machen seine Geschäfte es ihm unmöglich, weil sie ihn fast sich selbst rauben. Voss ist noch nicht wieder da, und mein [...] Mann daher jetzt in gewißer Art, die Seele von zweyen Körpern, weil beyde Buchhandlungen jetzt seine Aufsicht fodern. – Entschuldigen Sie ihn also für diesmal, mein guter Vater!. – |6 Genießen Sie den schönen Frühling, recht, mein liebster Vater? – Ich bin mit meinen Gedanken recht oft bey Ihnen, und begleite Sie auf Ihren Spaziergängen, so wie wir sie sonst täglich an Ihrer Seite machten. Hier keimt und sproßt schon alles hervor, man möchte sagen daß man das Gras und das Laub wachsen sieht! – Wenn Sie hier seyn werden und wir wieder an Ihrem Arm die schöne Natur genießen können, wird mir alles noch einmal so schön dünken! –

Leben Sie wohl, mein liebster Vater, Leben Sie recht wohl! Und erhalten Sie mir Ihre Liebe Ich könnte es nicht ertragen wenn ich die je verlöre! Leben Sie recht wohl!

E'rnestine!

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Mayer. Leipzig, 14. April 1802, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0353


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. u .1 Bl. 8°, 6 S.