Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Meiningen den 14ten Februar
1810

Was werden Sie, mein theurer Freund, von der unbegrenzten Schreibfertigkeit Ihrer Freundin Henriette denken! Kaum wird Ihnen Fr. v. Stein einige Zeilen überreicht haben, so erscheint mit der Post schon wieder ein Brieflein. Es gilt jetzt für einen Freund, und darum weiter keine Entschuldigung. Gäbe es wohl in oder in der Nähe von Weimar ein Locale, welches ein Mann mit einer Erziehungs Anstalt von 12 bis 24 Jünglingen beziehen könnte? Würde sich dieser Mann der besondern Beschützung des Herzogs zu erfreuen haben? Könnte er hoffen ein Haus wie er bedarf, nebst einem Garten oder Tummelplatz für seine Zöglinge unentgeldlich zur Wohnung zu bekommen? Der Mann für den ich frage ist kein Andrer als H. v. Türck zu Iverdün, der sich schict – nachdem er die sich vorgesetzte Zeit unter Pestalozzi's Leitung seine pädagogische Laufbahn anzufangen volbracht hat, nun in Deutschland seinen Wirkungskreis festzusetzen. Seit einem halben Saculum strömte von Weimar her, alles Höhere, Geistige, weshalb ich mich nicht wundre, daß Türck aus diesem |2 Mittelpunkten seinem Vaterlande nützen möchte.

Sollte man daneben die Schulen und Schullehrer unter seine Aufsicht geben, so würde er sich dieses zu einer besondern Pflicht machen. Da Sie uns mein Freund, über alles dieses die beste Auskunft geben können, auch uns sagen, im Fall, für Türck etwas in Weimar zu hoffen sey, an wen er sich mit seinem Gesuche zu wenden hätte, so bitte ich Sie herzlich, mir dasjenige mitzutheilen, was ich für Türck zu wißen brauche.

Mouniers Verhältnisse in Weimar habe ich gekannt , an Belvedere ist jetzt nicht mehr zu denken, aber Difurt wäre vielleicht etwas. Auch weiß ich daß M. in hohem Grade undankbar gegen den Hof war. Türck ist ein edler vielseitig gebildeter Mann, er und seine liebenswürdige Gattin bilden eine höchst intereßante Gesellschaft. Ich glaube, Ihr Herzog kennt ihn, doch weiß ich nicht ob die Bekanntschaft so genau ist, daß er ihn beurtheilen kann.

Ohngeachtet sich Türk nicht unter einem Jahre von Iverdun würde entfernen können, so muß er doch jetzt schon Anstalten dazu machen, weshalb ich wünsche, daß sobald |3 es sein kann, Sie mir Ihre Meinung mittheilen. Alles übrige verspahre ich auf den schönen Augenblick zu dem Sie uns Hoffnung machen aufs Wiedersehen! —

Leben Sie wohl und froh

Ihre

Freundin
Schwendler

Vor der Hand wünscht Türk nach seinem Plane einige Verschwiegenheit aus Familien Ursachen, namentlich wegen seiner Verwandten in Meiningen.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Friedrich von Müller. Meiningen, 14. Februar 1810, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0363


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 8-9
1 Dbl. 8°, 2½ S.