Von Emma Richter an Caroline Richter. Konradsreuth, 8. Juni 1822, Sonnabend

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Conradsreuth d. 8. Juni.
1822.

Seit gestern Mittag, meine geliebte Mutter, bin ich hier. Wenn Dein gestriger Tag nur etwas angenehm für Dich vergangen ist; den ganzen Weg dachte ich an Dich wie hat es mich gedauert daß Du gerade gestern so allein warst , wenn nur andere Dich zerstreuten!

Unsere Reise ging recht gut. Der Kutscher war heiter ohne Ungezogenheit, und sprach nur wenn ich anfing; er betrug sich sehr anständig. Der Vater wird gewiß mit ihn und seinen Pferden sehr zufrieden sein, es ging mit Flügelschnelle hierher, trotz 1½ Stunden Aufenthaltes unterwegs, in jeder der drei Hauptörter ein wenig, waren wir um ½12 Uhr hier. Die liebe Kammerherrin war freundlich wie immer gegen mich, und die herrliche Tinette über Erwartung gut gegen mich. Beide sagen Du zu mir, und behandeln mich nicht im Geringsten mehr fremd, das macht mich noch heimischer.

Der guten Odilie will ich von hier aus schreiben . Je mehr ich aber nachdenke desto besser finde ich es daß ich nicht nach Würzburg gegangen; gewiß wäre ich dem Vater eine Last gewesen.

Morgen fährt die Reitzenstein nach Gattendorf und nimmt mich mit zu Marie nach Hohenberg. Ich bin recht neugierig auf die Schubart, obgleich die Erzählungen der Reise Reitzenstein mir keine Freude zu dazu geben. Mich dauert die arme Marie die die Verachtung der Menschen gegen ihre Mutter von allen interressanten Umgang entfernt. Ich schreibe recht zerstreut, gute Mutter, aber die beiden Kinder sprechen in mein Schreiben hinein und da wird es recht dumm, und doch möcht ich Dir Nachricht von mir geben, und Dir sagen daß ich immer an Dich denke. Heute mußte ich Deine Heirathsgeschichte erzählen.

Die guten lieben Weldens grüße 1000mal von mir. Am Montag schreibe ich ihnen, ich muß erst in Hohenberg gewesen sein, sonst ist mir der Brief zu uninterressant.

|3 Hakens grüße auch herzlich, ich mußte viel von ihr erzählen; Tinette urtheilt recht richtig über sie und die Stein.

Schreibe mir ja bald, beste Mutter, damit ich weiß wie es Dir geht, und vergieb meiner Eile und dem Sprechen um mich diesen schlechten Brief. In Münchberg nahm mich die gute Decanin recht freundlich auf, aber ich blieb nur eine halbe Stunde da.

Lebe recht wohl, meine geliebte Mutter. Gott erhalte Dich gesund!

Deine treue Emma.

Viele Grüße an Emanuel
und Otto

Zitierhinweis

Von Emma Richter an Caroline Richter. Konradsreuth, 8. Juni 1822, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0382


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2¾ S. Auf S. 4 Adr.: An / Frau Legations Räthin Richter / geb. Maier / Wohlgeboren / in / Baireut. Siegelspuren.