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Leipzig. den 2ten Aprill: 1803

Die Sehnsucht, von Ihnen, mein theuerster Vater, wieder etwas zu hören, unterbricht heut mein langes Schweigen.Ohnehin erhielten Sie noch kein Zeichen meines Danks, für die gütige Mittheilung Ihres lezten Briefes an Caroline ! – Es freute mich sehr in diesem so vieles zu finden, das mir eine Ansicht Ihres jezigen Lebens verschaffte; wovon mir bis dahin jede deutliche Vorstellung mangelte! Das , was Sie jenem Briefe noch beigesellt hatten , habe ich gemeinschaftlich, und so bald als möglich an Caroline gesandt; doch seitdem noch keine Antwort die mir den richtigen Empfang alles deßen bestätigte, erhalten. Vielleicht fehlt es Ihnen, bester Vater, nicht an spätern Nachrichten von Meiningen .

Jetzt entsteht wieder eine neue Lebens Epoche, nach dem, nur zu langen, und rauhen Winter.Ich denke Sie mir auch recht froh, im Genuße des himmlischen Frühlings, oder vielmehr des Erwachens deßelben! Sie haben Sinn für die kleinen, einfachen Freuden des Lebens, die man sich selbst zu schaffen versteht. Darum will ich Ihnen von einem Gärtchen erzählen, das wir uns hinter unserer Wohnung gemiethet haben, das mich, schon jetzt |2 glücklich macht, wie ein Kind, und von welchem ich mir für den ganzen Theil der schönen Jahrzeit, sehr viel Annehmlichkeit verspreche. Sie müßen wißen daß mein Mann ein halber Gärtner ist; oder vielmehr ein ganzer, denn alles was er ist, ist er mit ganzer Seele. Darum zieht er viel schöne Blumen, an denen er hängt, wie an einen Freund, und es gehört zu seinen höchsten Genüßen, einzudringen in die Geheimniße, und in die Spiel der Natur. Wenn Sie sich gern zuweilen ein Bild von unserm gemeinschaftlichen Leben entwerfen, so werden Sie das wahre treffen, indem Sie sich unsre Aemsigkeit im kleinen Garten vorstellen. Sie werden dann meinen Mann mir der Scheere in der Hand, auf Bäumen klettern, sie beschneiden, pfropfen, u. s. w. sehen. Sie werden, mich mit aufgeschürzten Rocke Harke oder Spaden in der Hand, zum Scherz fleißig sehen in den Beschäftigungen der Gärtnerinn. Und wenn wir Mittags und Abends unser kleines Mahl im Garten halten, wird Ihr Gemüth es ahnen, daß Ihr Bild oft vor uns schwebt, und daß wir Sie zu uns her zaubern möchten. Und die Freude soll mir Niemand rauben etwas von eigner Hand gepflanztes und gezognes Ihnen, mein liebster Vater, zu senden. Sie sollen es sehen!. |3 Doch schon zu lange, mein guter Vater, habe ich Sie mit diesen Kleinigkeiten unterhalten! Sagen Sie mir doch auf welche Weise, Sie den Sommer genießen werden! Ob Ihre Verhältniße, es nicht erlauben sich eine kleine Wohnung, im Thiergarten, oder sonst wo einzurichen? –

Im Ihrem Briefe an Caroline, vermiße ich ganz und gar irgend eine Notiz vom alten Freunde Hansen da Sie doch so viele Ihrer Freunde Erwähnung thun? Wie lebt er jetzt? Hat er noch die Besizung im Charlottenburg? Und hat er nicht Hoffnung, sein verlornes Kind , durch ein zweytes ersezt zu sehen?

Noch muß ich Sie fragen, ob ich mich irre, wenn ich die verlangten Spiel-Marken Kästchen Ihnen zur bevorstehenden Oster-Meße nach Berlin besorge. Sie haben sich nicht bestimmt darüber erklärt, und ich konnte mir keine andre Gelegenheit sie nach Berlin zu besorgen ausfindig machen, als denn mit Herrn Lagarde oder irgend einen der Buchhändler.

Gustchens zweytes Bild habe ich richtig erhalten , und sage Ihnen noch einmal vielen Dank für Ihre Güte!

Alle die Personen von denen Sie schreiben, daß Sie Ihnen Empfelungen an mich aufgetragen, sind solche mit welchen ich grade in gar keiner connexion stehe. Wie z. B. die Familie Frege , die junge Md. Dufour und. s. w. |4 Assessor Erhardt in deßen assemblé ich in diesen Winter eimal war, erinnert sich Ihrer, und besonders Ihrer lieben Frau, mit vielem Intereße. Er ist der einzige, dem ich, wie ich glaube, ein treues Bild von derselben zu verdanken habe, das mir sehr werth ist!

Nun, mein liebster Vater, trenne ich mich von diesem Blatte, daß Ihnen mein Andenken wieder lebhafter hervorrufen , und Ihnen ein Bild von meinem höchst einfach glücklichen Leben geben soll. Gönnen Sie mir bald wieder eine Minute der Mittheilung, in welcher Sie mir die Versichrung geben, daß Sie mich noch lieben, so wie ich nie aufhöre zu seyn

Ihre
treue Tochter
E'. M.

Mein Mann empfielt sich Ihrem Andenken und Ihrer Liebe – so wie Ihrer lieben Frau, herzlich. Schließen Sie auch mich in diese Empfelung ein!! –

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 2. April 1803, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0390


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.