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Meine lieben Kinder Minna, Caroline u Tinchen!

ich schicke Euch hiebey Gustchens Krankheits Geschichte u werdet Ihr, die ihr sie erst erhaltet, sie gleich wieder an Caroline befördern. Meine Zeit erlaubt mir nicht, heute weitläuftiger zu seyn, u ich sage nur

  • Dir, Minna , daß ich zwey Briefe von Dir erhalten habe;
  • Dir Caroline, daß ich den von Dir und Deinem Mann ; u
  • Dir Ernestine, daß ich auch die Deinen und die Deines Mannes erhalten habe;
    und daß ich Euch den Dank für die treue Anhänglichkeit an mich, u für Eure Theilnehmung an dem Verluste der guten Auguste nicht genug ausdrüken kann.

Du, Minna u Ernestine, wirst auch schon durch Herrn Weber, den ich herzlich grüße, von meiner häußlichen Lage etwas unterrichtet seyn, die freylich nicht beruhigend ist. denn ich habe an der Dlle Frantzen eine Faseltrine um mich, u muß meine Wirthschaft mit mehr Sorgfalt controlliren, als es meine übrigen Verhältniße erlauben. |2 Noch gestern Abend hatte sie ein Licht brennen laßen, was ein guter Genius in sich selbst ausgelöscht hat, sonst läge bey mir heute alles in der Asche.

Für die Zukunft habe ich von Ostern an eine Dlle Hünefeld , 40 Jahr alt, u sehr guten Rufs, auch gescheut, engagirt, Sie hat des Praesident Irrwing Wirthschaft geführt, und sich unter gleichen Bedingungen, mir überlaßen. ich habe also Hofnung mein Haußwesen in Ordnung gebracht zu sehen, welches die höchste Zeit ist. Denn zufällig fand ich neulich das Vorhänge Schloß auf den Boden Verschlag mit Gewalt gesprengt u nur zum Schein eingehängt, u noch an einem andern Spinde sind Spuren von offenbarer Gewalt, welches alles ich jedoch auf Rechnung meiner jetzigen Leute, zu stellen nicht Grund genug, vielmehr Verdacht auf die Vorigen habe. – Die Kasten auf dem Boden sind noch zu, auch die Betten vorhan |3 den; u ich hoffe es ist noch nichts entwendet. Noch habe ich nicht Zeit gehabt, darnach zu sehen.

– Die Merzdorffin ist hier, aber sie gehet nach Sanne wenigstens auf einige Monath zurük, u außer der Treue, mit der sie Gustchen gepflegt hat, kann ich nichts von ihr erwarten. Denn Berlin ist ihr nach mehrjähriger Entbehrung, neu, u sie lechtzet nach Genuß. Also muß ich mich schon bis Ostern fort quälen, und habe auch in der That kein Recht der guten Mertzdorffin Vorwürfe zu machen.

Meine Freunde thun alles mögliche mich zu zerstreuen, u selbst alte erloschene Verbindungen erwachen doch aufgeregtes Mitgefühl, ich überlaße mich gern jedem, weil ich leicht Gefahr laufen könnte, bey einigem Zurükziehen ganz u auf immer vernachläßigt zu werden, welches sich selten wieder gut machen läßt.

– Was übrigens aus mir werden wird, ist ungewiß. ich muß mich erst ausheilen, erst wieder Vertrauen gewinnen, ehe ich an |4 etwas dauerndes denken kann, und noch scheints mir unmöglich, eine Verbindung zu finden, die mich beruhigen könnte, da es hier nicht bloß auf einseitiges, sondern auf wechselseitiges Glück ankömt.

Nun lebt wohl, grüßt Eure Männer , u gönnt mir wenigstens den Trost, Euch glücklich, u mich in gewißem Sinn als die Ursache davon anzusehen, so weit nehmlich, als es auf Euren Sinn für Lebens-Genuß, u auf Eure Fähigkeit ihn auch um Euch zu verbreiten ankomt.

In dießem Früh Jahre sehen wir uns gewiß, und wo möglich irgendwo vereint.

Darüber zu seiner Zeit mehr.

Euer treuer Vater
Mayer

d. 13. Febr
1802.

Indem ich Euere Rechnungen durchsehe, finde ich, liebe Caroline, daß Du mir wohl am 14. Januar den Empfang des Dir geschickten Geld-Bestandes à 8 rth 19 gr 5 pf. aber keine Quittung geschickt hast. Thue es doch noch, nur der Ordnung willen.

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Minna Spazier, Caroline Richter und Ernestine Mahlmann. Berlin, 13. Februar 1802, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0404


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

B: Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 23. Januar 1802, Sonnabend
B: An Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 26. Januar 1802.

Der Brief ging zunächst nach Leipzig (eventuell überbracht durch Herrn Weber) an Minna Spazier und Ernestine Mahlmann und wurde mit Verspätung mit mindesten einem weiteren (nicht überlieferten) Brief von Johann Siegfried Mayer und einem (nicht überlieferten) Brief von Ernestine Mahlmann nach Meinigen zu Caroline Richter weitergesendet.