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Berlin d. 9. 7ber 15.

Meine liebe Caroline!

NachDeinem Briefe vom 9 April , habe ich nocheinen
vom – – 23. Julius , erhalten.

ich habe Dir auf ersteren am 29. April nicht nur geantwortet , sondern auch späterhin bey einer etwas hypochondrischen Stimmung mit einer Rührung, von welcher ich erwartet hätte, daß Sie Dich ergreifen würde, an Dich geschrieben, u schließe nun ausDeinem letzten Briefe , auf welchen ich jetzt antworte (weil ich früher dazu weder Zeit noch Laune hatte) daß Dumeinen spätren Brief gar nicht erhalten hast. Denn nie werde ich an Deinem Hertzen u an Deiner Theilnahme für mich verzweyfeln.

Was nunDeinen Brief vom 23. Julius betrift, so danke ich Dir zuförderst fürDein liebes Geschenk , welches ich sogleich zum Gebrauch gewählt habe.

Auch freue ich mich, daß Du von den Unfällen, die Dich bis dahin durch Krankheiten betroffen haben, glücklich befreyet bist; und alle die Genüße hast theilen können, deren Du in Bezug auf interessante Menschen erwehnst. M me Fischer kannte ich bis gestern nur aus der Ferne. Gestern habe ich sie selbst besucht, um mich nach einem Briefe zu erkundigen, den sie für mich (wie mir Fräulein Kalb sagte) mit gebracht haben sollte, und den sie beym Einpacken verpackt hat. ich höre aber von ihr, daßder Brief an meine Frau war, u hat ihn letztere noch von ihr zu erwarten. M me Fischer hat mich nun auch |2 durch ihre nähere Bekantschaft sehr interessirt, so wie durch die Gesinnungen die sie für Dich hegt. Besonders hat sie mir Deine Kinder, und die Anlagen Deines Sohnes gerühmt, wozu ich von Hertzen Glück wünsche.

Noch hat sie mir von Deines Mannes Pensions Sache gesprochen, u läßt letzteren, den ich zu grüßen bitte, wißen, daß eineM me Lange , früherhin Cammer Sängerin des Fürsten Primas, von S r Maiestät dem König von Bayern in den Genuß der ihr von jenem ausgesetzten Pension gesetzt ist. – Ja – Herr Fischer wollte schon vor 2. Jahren aus Herrn Werners Munde in Rom gehört haben, daß dieser schon damals im Genuß seiner Pension gewesen sey.

Letzteres ist nun wohl nicht gegründet, aber ersteres verdient Aufmerksamkeit, u will ich davon Anlaß zu einem Briefe an Herrn p Staegemann in Paris nehmen, [...] sollte sich solcher auch mit der von mir angeknüpften unmittelbaren Correspondentz des Herrn St. u Deines Mannes kreutzen.

Minna, die nicht Herr Ihrer ihrer Leidenschaftlichkeit gegen meine Frau werden kann, und darüber auch mit mir immer mehr außer Berührung |3 kömt, äußerte vor einiger Zeit, daß ihr Verhältniß in Strelitz aufhören, u sie mit Minona nach Berlin kommen, u hier durch vereinte industrie von ihren Talenten leben wolle; allein eine Frau Paesidentin von Scheve aus Strelitz , die ich auf Ansuchen der Minna hier bey ihrer Durch Reise besucht habe, will noch in Strelitz gehört haben, daß sie daselbst auch den Winter bleiben werde. Weiter weiß ich von ihr nichts.

Julius, erst in diesen Tagen 18. Jahr alt geworden, ist jetzt bereits Königlicher vereydeter Conducteur , u von der Regirung in Potsdam unmittelbar mit einer Forst Separation im Amte Zehdenik beauftragt;von der er sich sehr gut acquittirt . Es wird ein trefflicher Cantzley Mensch werden; u da er vor Winter, wo er seine academische Laufbahn hier wieder antritt, noch nach Strelitz zu reisen denkt, so habe ich ihm aufgetragen, sich mit seiner Mutter über ihre Zukunft zu berathen.

Minona wird in Strelitz sehr geliebt; hat mir auch, wahrscheinlich aus Zerstreuung, ein weibliches Halß Umschlage Tuch zur Binde Zum Geburts Tage geschickt, welches ich meiner Frau gegeben habe. Emma hat mir eine Porte feuille gestikt, u aus Stralsund übersendet. Da sie nicht klagt, so muß sie zufrieden seyn, welches auch ihre Mutter annimmt. Allein bey allem interesse, welches ich für sie nehme, fällt es ihr nicht ein, sich über ihre Lage umständlich auszulaßen. Ebenfalst Zerstreuung.

|4 Richard ist ein genie, welches hinten und vorne ausschlägt. Allein seine Lehrer versprechen Sich doch seine Bändigung; u ich hoffe auch darauf. Es wäre Schade, wenn bloß ein Leyer Mann aus ihm würde.

Da Minna zur Erzieherin gar nicht, sondern bloß zur Lehrerin taugt, so habe ich von Deiner Rück Sicht auf die von Balthasarsche Tochter keinen weitern Gebrauch gemacht.

Die Tante Mertzdorff, 73 bis 74. Jahr alt, ist noch munter, u theilnehmend.

Die arme Sommern, deren Sohn, ein vortreflicher junger Mensch, der weil er wegen schwachen Gesichts nicht Soldat werden konnte, u sondern sich beym Krieges Commissariat engagirte, wozu er wie ein Rechnungs Rath examinirt worden ist, hat zuletzt von Namur, Ende Junius, geschrieben. Seit dem weiß man von ihm nichts, u es scheint er ist auf dem Wege nach Paris , auf welchem die Frantzosen eben damals, aus Namur dahin flüchteten, verunglückt . Das arme Weib verzehrt sich vor Kummer.

Nun meine gute Caroline habe ich mein Hertz gegen Dich erleichtert, u empfehle Dich dem Schutz des Himmels. Meine Frau grüßt Dich hertzlich. Küße Deine Kinder

Dein treuer Vater
Mayer
Daß der Haupt Mann Besecke geblieben ist,weißt du aus den Zeitungen . Sein braves Weib hat nach seinem Tode einen Sohn gebohren, bey welchem meine Frau Pathe geworden ist. Seiner Frau war er sehr viel werth, auch in der That ein sehr energischer, in vieler Hinsicht, sehr schätzbarer Mensch.
Daß Deine Cousine Hoffmann Wittwe, u Dein alter Freud Herr Safft im Felde verunglükt ist wirst Du wißen. Deiner Freundin Kirchners Mann stehet als Officier der Landwehr im Felde.
Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 9. September 1815, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0415


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H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 4°, 4 S.