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Meiningen, den 24ten Februar
1816.

Ich konnte es voraussehen, mein Emanuel, daß nach der angestrengten Reise meine noch nicht zurükgekehrte Gesundheit einen neuen Anstoß erleiden würde, und so war es dann! Einige Tage habe ich das Bette hüten müßen und mich der strengsten Ruhe hingeben, sonst hätten Sie, Guter, schon mit der Sonnabends Post einige Zeilen von mir erhalten.

Aber, es bleibt immer dabey, unser Wiedersehen war herrlich! So recht mit aller Innigkeit habe ich es nachempfunden und alle die schönen Augenblike mir zurükgerufen, in welchesn wir gleichsam unsern Bund der Treue und Wahrheit wieder bestätigten . Daß Sie mich ganz verstehen ist mir unendlich werth, und daß ich dieses Verstehen Ihnen zurükgebe, will ich vor Gott behaupten. Das Wiedersehen meiner Lieblinge hier war süß und schmerzlich zugleich. Reinhold war während meiner Abwesenheit ernstlich krank gewesen und hatte sich noch nicht erhohlt, da er nun vermöge seines außerordentlich zarten Baues mir immer ein wenig Sorge macht, so ergriff mich jetzt sein krankes Aussehen unbeschreiblich. Es geht Gottlob seit zwey Tagen beßer, und hoffentlich sehe ich den |2 holden Knaben bald wieder in seiner vorigen Blüthe Pauline das arme Kind, hatte, da die Jungens ihre ganze Mütterlichkeit in Anspruch genommen, recht viel Noth in meiner Abwesenheit, mit ihrer gewohnten Demuth verbarg sie es mir in den ersten Augenbliken unsres Wiedersehens bis ich es nach und nach erfuhr. Es ist nicht übertrieben, bey Gott, in Paulinen reift eine Weiblichkeit die zur höchsten [...]Vollendung gedeihen kann, hätte ich sie Ihnen nur bringen können. Sie wißen es ja, Emanuel, daß Alles was ich liebe mir noch heiliger wird wenn Sie es lieben und Pauline würden Sie recht lieben.

Während meines nur alzu ruhigen Hierseyns in den ersten Tagen hatte ich rechte Muße so manche unsrer Unterhaltungen mir zu vergegenwärtigen, überhaupt manche Mittheilung die ich Ihrem Vertrauen verdanke. Vor allem beschäftigte mich, die edle Briefstellerin die ich am liebsten Seherin nennen möchte, wenn gleich unter ganz andern Bedingungen, wie Sie es mir sind weil hier die höchste Offenheit die Grundlage unsres Bundes macht, so erschienen Sie mir doch für jenes |3 Wesen als ein ihr von Gott gesendeter Genius. Es ist mir recht heilig, Sie so vielfach gebunden zu sehen, und darum werde ich bald selbst des Glaubens seyn, jedes Verhältniß was Ihre schöne Freiheit, – trotz – daß Liebe und Freundschaft Sie so häufig binden – einengen könnte, paßt nicht für Sie. Sie würden Opfer bringen, man würde opfern, und der Zwek beglükt zu seyn dennoch kaum erreicht werden. Ein wenig kämpfen werden Sie freylich noch, eigentlich aber doch nur Liebe um Liebe und daß kann der Erden Mensch schon ertragen! – – –

Die Mainzer Scene erschüttert mich jedesmahl, wenn ich ihrer denke, überhaupt ist mir manches in beyden Richters unerklärbar. Ich liebe beyde aber dabey fühle ich einen eignen Schmerz, ich schreibe Ihnen bald ausführlicher, auch noch über manches Andre, worüber ich mich [...] aussprechen muß. Ach Gott, im freundlichen Stübchen wäre es leichter und schöner! —

Dem klaren, reinen kräftigen Otto Gruß u Liebe, Pauline dankt fürs Andenken, die Bubens für den vortreflichen Pfefferkuchen. Amanda tanzt auf einen Cassino Ball, grüßt herzlich. Die schwesterliche Freundinn drükt ans treue Herz ihren Emanuel

Henriette.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Emanuel Osmund. Meiningen, 24. Februar 1816, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0425


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Textgrundlage

H: Slg. Apelt
1 Dbl., 3 S. Brief- bzw. Blattnummerierung vfrH.


Korrespondenz

Präsentat: Am 22ten Mai beantw. (Antwort nicht überliefert.)