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Sontag den 16ten Nov
1822

Meine beste Herzens Odilie!

Heute früh kam Dein Brief . Wie viel Freude er uns machte, kann ich Dir gar nicht sagen, zumal da wir schon wieder Dein Schweigen etwas zu lang fanden. Es konnte aber nicht anders sein, da Du erst unsere Comissionen zu besorgen hattest. Wie dankbar bin ich dem guten Herrn Heine und Augusten die Deinen Geburtstag so festlich machten; und welch ein hübscher Zufall ist es, daß er mit Dem, Einer der guten Mädchen zusammen fiel, mit denen Du so herzlich Freund bist. War es Jettchen oder Hannchen Ihrer? Glückwünsche Ihr doch von mir noch hintennach. Daß Du aber ein geschwollnes Gesicht hast, thut mir so leid, Du gutes Kind! Wenn es doch nur nicht lange gedauert hat, oder noch dauert. Es ist mir beim Preßen und Manipuliren ein entsetzlicher Gedanke, und Deine lieben Augen leiden gewis auch recht dabei. Was Du uns aber von Deiner Heilung schreibst, entzückt mich und Den Vater, ganz. Daß Herrn Heine Selbst, Dich so gut findet. – O wie |2 dankbar werde ich Ihm ewig sein! Du gutes, gutes Kind! Dich hergestellt zu sehen ist das höchste Erdenglück, was ich mir nur wünschen kann, und erhellt die noch übrige dunkle Lebensbahn, auf eine niegeahnete Weise. Bleibe nur auch gesund bis zu unserem Wiedersehen.

Der Vater ist im Ganzen recht wohl, diese Woche ging er zur Rollwenzel, und ich durfte, seit der vorigen Magd Entlassung zum erstenmale seine Stube wieder reinigen. Wie sehr ich da an Dich dachte, kann ich Dir nicht sagen. Ich putzte die Vogelhäuschen in Deiner Seele aus, und dachte wie gern und gut Du das Alles sonst gethan hattest. Ich brachte den ganzen Tag mit der Stube zu da ich beim Einräumen Nachmittags das Unglück hatte eine kleine Linie von Dintenflecken wieder in die frischgefegte Stube zu tröpfeln. Abends war ich bei der Prof. Gabler zum Thee. Gestern ließ ich unseren Ofen ausputzen, und wusch gleich die Vorhänge, und plättete sie heute Morgen um 5 Uhr. |3 Von dem Allen bin ich aber auch so müde und matt, daß ich eben ein Nachmittagschläfchen gehalten habe. Doch wie gern arbeite ich und quäle mich wieder im eigenen Hauhshalt. Noch ist mir immer seit meiner Rückehr, jede Arbeit so süß gegen die Beschränktheit in der ich bei Heine war, wo ich nicht einmal für Dich, mein geliebtes Kind, nach Herzenslust waschen konnte, Diese Woche wird ein neuer Ofen in der großen Stube gesetzt, welches Schwabachers thun, der große Kochofen in der Kochstube umgesetzt, und dann, in derselben ein Verschlag queer durch gemacht, wo Du, und Emma schlafen sollt. Mit der Wohnstube ist es nichts, sie würde zu klein werden, daher habe ich mir das Letztere ersonnen. Du bist dann ungenirt, die Magd hat ihr warmes Pflätzchen am Ofen, und Ihr habt beide Fenster. Die Wohnstubenthüre kann immer offen bleiben und die Wärme meines Ofens Euer Gemach mit erwärmen. Es soll recht hübsch werden. |4 Gestern ging der Fuhrmann ab, der Dein Bett holen soll. Käme er aber nicht gleich an, so lasse nur in Gottes Namen, Herrn Wirth die Kiste spediren. Ich be Bis Sontag den 23ten Nov. kann er da sein, meldet er sich bis dahin nicht, so wollen wir nicht auf ihn warten. Man kann nicht wissen wie bald er sich zum Abholen meldet ob ich es gleich so dringend gemacht. Der Vater läßt Dich herzlich grüßen, und bittet Dich ihm 3 Buch von dem Papier was Du ihm geschickt einzukaufen, und mit in die Kiste zu packen.

Nun lebe wohl, Engelsseele! Gott behüte Dich, tausend Küsse von Deiner Mutter.

Caroline

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 17. November 1822, Sonntag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0430


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
2 Bl. 8°, 3⅞ S.


Korrespondenz

A: Von Odilie Richter an Caroline Richter. Würzburg, 21. November 1822, Donnerstag

Zur Datierung: Hier hat sich Caroline Richter im Datum geirrt; es war der 17. November 1822, der auf einen Sonntag fiel.