Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Meiningen den 19ten May
1808

Geliebte Caroline! Der erste May brachte mir Deine und Richters langersehnte Antwort und dazu den herrlichen Frühling! —

Um Dir, Liebe, einen Begriff von der Freude zu geben, welche Eure Briefe mir verursachten, muß ich einige der Vorfälle erwähnen die mich betrafen unter deßen ich Dir geschrieben hatte. In der Mitte Februar ward Amanda an einen entzündlichen [...] R heumatischen Fieber beynahe tödtlich krank. Der Wachsamkeit und außerordentlichen Behandlung von Panzerbieter glaube ich es allein verdanken zu haben, daß die Gefahr abgewendet ward. Bey doppelter Verantwortlichkeit für diese Tochter, bey meiner Liebe, und bey der Anstrengung während ihrer Pflege, war es natürlich, daß meine ohnehin nicht sehr feste Gesundheit zuletzt unter lag. Kaum als Amanda zu genesen anfieng, befiel mich eine ernstliche Krankheit die zuletzt in ein Wechselfieber übergieng und von dem ich noch nicht ganz befreyt bin. Das lang anhaltende üble Wetter, der zögernde Frühling, und die mancherley Nachrichten aus meinem Vaterlande dieß alles mag wohl die Ursache meiner langsamen Erhohlung seyn.

|2 Daß ich mich unter diesen Umständen, mehr als jemals nach Nachrichten von meinen Geliebten aus Bayreuth sehnte, glaubt meine Caroline, ohne Betheurung, die Reise zu ihnen war immer der Lichtpunkt, wo meine oft sehr trübe Phantasie mit Entzüken ausruhte. Endlich erschienen Eure Briefe, Eure Liebe, Richters unvergleichliche Laune in jeder Zeile dabey warmes Wetter, konnte es eine beßre Arzeney für mich geben! – Seit dieser Zeit befinde ich mich am Tage fast ganz wohl, blos in der Nacht spühre ich noch einige Fieberbewegungen mit Schlaflosigkeit. Nach allen angewandten stärkenden Mitteln die aber dennoch das Uebel nicht aus dem Grunde heben wollen, haben meine beyde Aerzte Jahn und Panzerbieter entschieden, daß eine Veränderung des hiesigen Locale das allerbeste für mich seyn würde und deshalb die Reise nach Bayreuth als ohnfehlbar empfehlen. Auch ich habe ein entschiedenes Vorgefühl, daß ich auf dieser Reise und an dem Herzen meiner Freunde genesen werde.

Am 3ten Juny allso reisen wir von hier ab |3 und am 4ten oder den PfingstSonnabend sind wir in Bayreuth. Deine Liebe bitte ich uns ein Stübchen in Eurer Nähe in einem Wirtshause zu bestellen, keines großen Raums bedürfen wir nicht, jedoch wäre die Zugabe eines Cämmerleins neben der Stube sehr angenehm. Da es Dich vielleicht zu sehr bemüht, wenn Du mir über diese Bestellung nach hieher eine Antwort schreibst, so bitte ich Dich blos, mir an dem Thore wo wir hereinfahren eine kleine Weisung zu geben, wohin wir fahren sollen. Mein theurer S. bringt der Freundschaft ein großes Opfer, daß er uns nicht zu Euch begleitet. In diesem Augenblik ist er in Mainz vielleicht geht seine Reise bis Nancy. Er ist der Begleiter meiner Schwester Charlotte zu ihren Mann, der als Preußischer Kriegsgefangener Officier in Nancy ist. Findet meine Schwester ihren Mann nicht in Mainz, so bringet sie mein S. bis zu ihm, Einen zweiten Uhrlaub glaubt S. in Abwesenheit der Herzogin – welche eine große Reise macht – nach seiner Dir bekannten Gewißenhaftigkeit nicht nehmen zu dürfen. Eine kleine Hoffnung |4 Euch zu sehen bleibt ihm dennoch wenn Du und Dein R. den Vorschlag und Die Einladung genehmigt die ich mitbringe und jetzt schon vorausschike. Ohne Zweifel errinnert sich Richter, eines edlen treflichen Mannes des treusten Freundes unsers verstorbnen Herzogs eines Herrn von Truchsess. Wenig Menschen begreifen und faßen unsern Richter so wie dieser im Sinne des Worts ächt poetischer Mensch, daß er Ihn unendlich liebt geht aus diesem Grunde hervor, und da wir von Bayreuth über sein Guth Bettenbourg gehn, so bin ich beauftragt Dir und Richter den Vorschlag und die herzlichste Bitte zu thun, mich dahin zu begleiten. Wagner kam vorgestern zurük von Truchsess wiederhohlte mir die Einladung und setzte hinzu, so groß auch seine Erwartungen von der romantischen Bettenbourg gewesen wären so hätte er sie doch überall übertroffen gefunden. Erstlich in Rüksicht der Laage und der Umgebung des Orts und dann mit Truchsess zu leben, den Beglüker und Vater seiner Unterthanen zu aller derer die [...]

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Caroline Richter. Meiningen, 19. Mai 1808, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0434


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt.