Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Meiningen den 6. April 1810

Schelten Sie mich nicht undankbar, mein theurer Freund über meinen verspähteten Dank für Ihr freundliches und thätiges Intereße an Türks Plan und Wünsche und für die Mittheilung der Fest Spende und Feyerlichkeit Scene: Ich habe so hohe Achtung für die Zeitverwendung eines Mannes Ihres Geschäfts und Wirkungskreises, daß ich geradezu eine zu öftere Unterbrechung derselben durch Briefe für Sünde halte, auch konnte ich vermuthen daß T. nur wohl noch einige Aufträge in seiner Angelegenheit geben würde, wo ich dann nothwendig mit Ihnen Rüksprache nehmen müßte. Vor einigen Tagen schrieb Türk, er habe an Sie, an Vogt und an den Herzog geschrieben, alles so auseinander gesetzt und dargestellt als es ihm nach reiflicher Ueberlegung für nothwendig geschienen und nun erwarte er die Entscheidung. Da man jedoch in Weimar noch wichtigere als die Ausführung seiner Wünsche zu besorgen habe, so könnte er nicht sobald eine positive Antwort erwarten. Er bittet mich deshalb, mich an Sie zu wenden, um einstweilen zu erfahren, ob er auf Genehmigung seiner Ideen hoffen dürfe, denn wenn selbst in diesem Jahre kaum eine Ortsveränderung für ihn statt haben könnte wegen mancherley bestehenden häuslichen Einrichtungen und der bedeutenden Weitläufigkeit eine ganze Anstalt zu versetzen, so möchte er doch jene Gewisheit haben, ob er in der Umgebung Weimars seinen künftigen Wohnort finden könnte. Von Iverdun wegzugehen ist er fest entschloßen aber auch in Nion und am Genfer See ist ihm ein kostenfreyes Local angeboten. Daß Türk mit Vorliebe Deutschland zu seinem Etablissement wählen würde und daß er vorzugsweise die Weimarschen Lande dazu geeignet findet, daß leuchtet aus jeder Zeile seines Briefes hervor. Er hat vergeßen dem Herzoge einen gedruckten Plan seines Instituts zu schiken, er übersendet mir denselben zur Mittheilung für Sie und zu jeden ihnen beliebigen Gebrauch. Ich kann nicht umhin bey jenem Plan zu bemerken, daß allerdings in Weimar und hier noch mehr, die jährliche Pension von 60 Carolin für jeden Zögling sehr stark und nur den Kräfen weniger angemeßen, erscheinen muß. Die Theuerung in der Schweiz mag wohl den ersten Grund zu dieser Forderung gelegt haben, sondern daß die Zöglinge von Türk Kinder der wohlhabendsten Eltern aus Frankfurth Bremen und Ham- |2 burg sind, endlich daß sie gehalten werden, daß durchaus nichts zu wünschen übrig bleibt. Meine Schwester sagt, man könne sich kaum einen Begriff machen mit welcher Sorgfalt T. dem Institut vorstünde und wie vorzüglich die Kinder in jeder Rücksicht behandelt würden. Türk erscheint mir als ein edler für das Allgemeine Beste mit unermüdeter Rastlosigkeit hinwürkender Mann und darum möchte ich, daß er sich an den schönen geistige Verein anschlöße, der von jeher in Weimar bestand und immer bestehen wird.

In der Schnelligkeit womit Sie meine Idee für T. betrieben, haben wir recht sichtlich unsern Müller, den Seltnen, erkannt, in diesem Erkennen zollten wir Ihnen den wärmsten Dank.

Nun ein paar Worte über das Fest Ihrer holden Maria. Der Augsburger Patricier hat uns höchlich erfreut und mich dünkt im Gedicht und im Ausdruck der Masque wählten Sie das Bedeutendste, Vorzeit und Gegenwart. Auch mach ich Sie gern zum Verfaßer der lieblichen Dichtung das Geheimnis, in welche das wahrhafte Himmelsfest Maria Verkündigung – so deutete es Wagner und ich, – mit süßem Zauber gefüllt ist. In dem FestLied und vielleicht auch in dem Gedicht der Nachklang ist Göthe wohl nicht zu verkennen. Ist die Gloße nicht von Knebel und das Brautlied von Einsiedel? Was ich von beyden Dichtern kenne, scheint mir in jenen Styl zu paßen und das Räthsel der Festtag, gehört es nicht Thümmel! Die ganze Sammlung ist schön, die schöne Charade das Augenlied nicht zu vergessen. Ihr glücklichen Weimaraner die ihr den Augenblick so zu verherrlichen wißt und ihm der rastlosen Zeit nun verewigt zurückgebt!! Nachfühlen kann ich es wohl, aber niemals wird man hier so etwas nachmachen.

Schwendler komt in diesen Tagen von seiner Geschäfts Reise zurük sie verspätete ihren Anfang und so ihren Ausgang. Jetzt wünschen wir, daß Sie nun erst in der schönen Jahreszeit kommen, doch die Ankunft des Freundes ist in jedem Monathe angenehm, und sehnlich erwartet.

|3 In unserer politischen Unbedeutenheit zwar aber doch erwartet man hier große Veränderungen, Schwendler schreibt mir, er ahnte nichts Gutes davon. Aber was wird sie die mächtige Herrscherin, Liebe, dann hervorbringen? man sagt wirklich im Pallast des großen Herrschers sey die Rede von ihr. Möchte sie den allgemeinen Frieden nun geben, und überhaupt könnte man doch den schönen Väter Glauben wieder huldigen daß das Große auch das Gute vereinte. —

Gruß und Liebe von Wagnern, er neigt sich, aber herrlich und im Lichtkranze der höchsten Vollendung. Schmerzlich süß ist mir sein Umgang, er ist außerordentlich heiter.

Leben Sie wohl, herzliche Grüße Ihrer lieben Mienchen von uns Allen, Reinhold ist wohl und heiter.

Die

Ihrige

Henriette Schwendler

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Friedrich von Müller. Meiningen, 6. April 1810, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0452


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 17-18
1 Dbl. 4°, 2½ S.