Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 17. und 18. September 1804, Montag und Dienstag

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Bayreuth 17 Sept. 1804

Gute Caroline! Wenn Sie mein Schweigen nur die Hälfte so fühlten wie ich so schmerzt michs noch mehr.

Kein Posttag verging seitdem ich Ihren lieben Brief v. 1ten August habe, an dem ich ihn nicht beantworten wollte.

Unterdeßen kamen Richters hier an , für deren Unterbringung ich zu sorgen hatt und ein wenig Sorge wirklich hatte; ich werde mit der Einrichtung meiner eignen Wohnung auch erst heute fertig und so wurde ich beständig gehindert schriftlich bei Ihnen zu seyn.

Noch hab' ich in diesem Augenblik 3 Arbeitsleute bei mir, den vierten erwart' ich und den fünften hab ich schon entlaßen können; aber ich bin so froh, so rein froh, so kindlich – nicht kindisch – froh, daß ich heute aus den Händen der Handwerker besonders der Handwerkerinnen komme, daß Sie es wissen müssen, Caroline!

18ter

Meine Freude war gestern zu frühe: heute soll sie mir erst ganz zugetheilt werden.

So gar Ihnen fortzuschreiben erlaubte man mir nicht.

Aber heute soll mich durchaus nichts hindern.

|2 Car.! In einigen Wochen kann ich Ihnen durch meinen lieben Bruder schreiben, der also eher als ich nach Berlin kömmt, allein ich schreibe durch ihn gewiß auch.

Ihre einige Zeilen, mit denen Sie mir einen Frn. Ruschweil empfohlen haben, bekam ich zugeschikt mit folgenden Worten bei vermehrt: "Ich bedaure sehr – Ferd. Ruschw."

Und so half mir der Empfohlne doch zu einem Brieflein von Ihnen .

Ohne Leiden gehabt zu haben, erkennen wir die Freuden, die wir haben, nicht.

Selbst meine gegenwärtigen Freuden werden mir durch meine gegenwärtige Freu Leiden versüßt; so wie hingegen diese durch jene verbittert.

So wie wir die Gerechtigkeit der Vorsehung überall finden müßen z. B. daß wir gerade von diesen Menschen Daseyn, daß wir gerade diese Erziehung bekommen, daß wir gerade diese Menschen zu Freunden gefunden haben u. s. alles; so müßen wir sie auch darin finden, daß wir gerade diese Leiden und nicht die unsers Nachbars haben.

Der Egoismus läßt mich wirklich glauben ich habe Leiden wie sie kein Leidender hat – ich wünschte sie keinem Sterblichen so; aber meine Freuden, mein Wesen, mein Mensch machen mir Alles erträglich.

|3 Mündlich möcht' ich diese Stelle in Ihrem Briefe : über Leiden, beantworten und es gewiß beßer können.

Doch sind wir gewiß auch schweigend einig.

Ich schließe mich an Sie an und dulde, leide und strebe und hoffe!

Herzlichkeit ist auch in den kleineren Städten wenig mehr, herzliche Carol!

In Bayr. würden Sie sie in einigen Menschen gewiß finden; aber die Künstlerin Carol. wäre hier beinahe wie Robinson auf seiner Insel .

Einige Kunstliebhaber abgerechnet, die selbst aber nur hier diesen Namen verdienen, ist nicht einmal eine bettelnde Kunst hier; denn nicht einige Prosamen wirft man ihr zu, von der sie sich nähren könnte.

Richters u. Thier . sind gesund und wohl hier: wir leben ein einfaches, ruhiges Leben zusammen u. oft war meine Berliner Freundin der Gegenstand unserer Unterhaltung.

Von dem was ich Ihnen von Regensburg aus über mein Verhältniß geschrieben können Sie mit keinem Menschen als mit mir sprechen, Car.

Alles küßt und grüßt Sie, Alles verehrt, liebt und achtet Sie, Alles durch mich.
Die Jette will nächstens danken.

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 17. und 18. September 1804, Montag und Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0455


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Textgrundlage

h: Slg. Apelt
1 Dbl. 8°, 3 S. Kopie von Thieriots Hand.