Von Caroline Richter an Franz I. Kaiser von Österreich, Bayreuth, 20. November 1825, Sonntag

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Bayreuth, 20. November 1825

Allergroßmächtigster Kaiser!
Allergnädigster Kaiser und Herr!

Eure Kaiserliche Majastät geruhen Allerhöchst Sich die Bitte einer verwaisten Familie vortragen zu lassen, die vor Kurzem ihren Vater und Beschützer durch den Tod verlor. Der in ganz Deutschland bekannte und geliebte Dichter und Schriftsteller Jean Paul Friedrich Richter, der der fühlenden Menschheit durch seine unsterblichen Schriften eine höhere Welt aufschloß, ist zu früh für die Welt und seine Angehörigen im 63ten Jahre seines Lebens am 14ten November uns durch die Hand der Allmacht entrissen worden. Eben damit beschäftigt, die erste Ausgabe Seiner sämmtlichen Werke zu veranstalten, wozu er von seiner Nazion und auch vom Auslande dringend aufgefordert wurde und wodurch er im Stande war, einen Lohn seiner vierzigjährigen litterarischen Bemühungen für Sich und die Seinen zu erndten; der Ihm umso nothwendiger war, als eine Erblindung beider Augen ihn des einzigen Glückes, wofür Er lebte, für Wahrheit und Tugend zu schreiben – beraubte. Seine hohe Seele kannte nichts Anderes. Seine auch von Ihro Majestät der allergnädigsten Frau Kaiserin geliebte Schriften sind nun das einzige Erbtheil Seiner Familie. Um es unverkümmert überliefert zu bekommen, müssen wir die Gunst Eurer Kaiserlichen Majestät anflehen, die kürzlich erst dem großen Dichter Goethe für die Herausgabe seiner Schriften gewährt wurde . Wir bitten ebenfalls um ein Privilegium gegen den Nachdruck in Eurer Kaiserlichen Majestät weiten Erbstaaten. Wir zweifeln umso weniger an der Allerhuldreichsten Gewährung unserer demütigsten Bitte, als beide Dichter und Schriftsteller in gleichem Grade um die Bildung und Veredlung der deutschen Nazion Verdienste haben. Eine Überzeugung, wovon ihm während Seines musterhaften Lebens von den Hohen der Erde so oft die Zusicherung gegeben wurde.

In vertrauensvoller Hoffnung, daß Eure Kaiserliche Majestät uns Verwaisten in dieser Hinsicht Vater sein werde, ersterbe ich in tiefster Ehrfurcht

Ew. Kaiserlicher Majestät
allerunterthänigste treugehorsamste

Caroline Richter geborene Mayer

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Franz I. Kaiser von Österreich, Bayreuth, 20. November 1825, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0459


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Textgrundlage

D: Glossy, Nachdruck, S. 182–183.