Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Baireuth den 28 ten September
1817.

Halten Sie ja ein so langes Schweigen, auf einen so freundlichen Brief und eine so liebende Bitte wie die Ihrige, nicht für Zeichen stumpfer Gleichgültigkeit. Nein aufs innigste ward ich durch dieses ehrende Vertrauen gerührt, antwortete auch sogleich, weil es mich drängte der schönen Aufforderung Antwort zu geben, und weil ich bewährt gefunden habe, daß der Moment des Empfangs eines Briefes auch zugleich der, des Beantwortens sein sollte. Allein da mein Mann zugleich Ihnen schreiben wollte und erst die Ankunft der Büsten erwartete, worüber ihm heut Kirchenrath Schwarz Nachricht giebt , so muste auch ich das Absenden meines Briefes aufschieben. Jetzt ist aber dieser nicht mehr zu brauchen – ein alter von uns abgefaßter Brief kömmt mir vor wie eine alte Zeitung, und ich könnte ihn höchstens einmal ein Ihre Hände legen, wenn eine persönliche Bekanntschaft mein Vertrauen in Ihre Nachsicht gestärkt hätte. Daß dieser Augenblick nicht so fern sein möchte! Allein ein Jahr dünkt mir bei dem Erwarten einer Freude, eine Ewigkeit, wie kurz ist dieser Zeitraum, nach dem Genuß derselben |2 wo die Erinnrung uns Tränen leiht die unser Dasein in Minuten auflösen.

So sehr ich fühle daß ich Ihr günstiges Urtheil nur dem durch Entfernung idealisierten meines Mannes zu danken habe, so möchte ich alle die theueren Freunde doch selbst kennen die Ihm so viele Liebe widmeten, ungekannt aber wenn es möglich wäre möchte ich in das Auge eines Jeden schauen, der mit höherer Achtung Ihm entgegenkam. Ich würde in Diesem die in Liebe mir als Schwester oder Bruder verwandte Seele erblicken – ohne jene Schüchternheit zu empfinden die mich durchbringt, wenn ich an alle Foderungen denke, die man an ein Wesen zu machen berechtigt ist, in dessen Hände, einen Theil seines irdischen Wohlseins, das Schicksal gelegt hat.

Und zu Ihrer Mutter trät' ich dann zuerst, in der ganz Heidelberg die Krone der Frauen anerkennt – Versichern Sie der Herrlichen meiner Ehrfurcht, und bitten Sie um Seegen für die ganze Familie des Mannes, dem auch Sie Freundschaft aus der Ferne geschenkt hät.

Und Sie theurer Freund meines Mannes nehmen Sie diese ersehnte Locke aus der Hand, der für Sie schwesterlich gesinnten

Caroline.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Heinrich Voß. Bayreuth, 28. September 1817, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0467


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

H: BNUS, Notes et correspondance de Johann Heinrich VossFol. 702
1 Dbl. 8°, 2 S. Auf S. 1 links oben vfrH: "C".


Korrespondenz

B: Von Heinrich Voß an Caroline Richter. Heidelberg, 5. September 1817