Von Emma Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 21. Mai 1822, Dienstag
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Meine geliebte Odilie! Wie hat De mich Dein Brief erfreut, ich dachte wirklich Du hättest mich nicht mehr lieb, aber ich bitte Dich jetzt um Verzeihung daß ich das von Dir habe denken können. Der Brief von Luise ist schon seit acht Tagen immer bei mir, und noch war es mir unmöglich ihn wegzuschicken, allemal kam etwas dazwischen wenn ich schreiben wollte, und mein Brief sollte doch der Umschlag des ihrigen sein.
Wie wirst Du alles verändert finden, wenn Du wieder kommst, beste Dieze ! Seit voriger Woche sind wir in die große Stube gezogen, aber in der andern ist noch nicht viel geschehen. Herr Heyer hat so viel zu thun daß er nur täglich eine Stunde kommt, einen neuen Schmierer an der Wand zu machen. Wenn wir nur vor den Feiertagen fertig werden, dann bin ich zufrieden. Die arme Mutter plagt sich recht, sie hat alle Fenster mit weißer Oelfarbe angestrichen, und alle Repositorien mit Leimfarbe; dafür sieht aber auch die Stube vom Vater recht hell und freundlich aus. Ich glaube die Mutter hat Dir vergangnen Freitag den Brief vom Vater geschickt , sonst würde ich Dir von ihm erzählen. Die Vögelchen füttere |2 ich recht ordentlich und auch die Blumen sind gut bestellt, nur die Frösche haben es schlimmer, sie sind nicht in meiner Nähe und da vergesse ich daß sie s auf der Welt sind.
Ich habe noch immer bei Götz Stunde, aber seitdem Du fort bist habe ich noch nicht einmal ordentlich Klavier gespielt, auf meiner Guitarre bin ich viel fleißiger. Seit unserer Singstunde singe ich wieder mehr, und da geht es damit auch viel besser. Ich freue mich schon darauf wenn Du da bist s daß wir zusammen vieles S singen werden.
Wenn ich Dich nur einmal besuchen könnte, wie herrlich sollte das sein! Ich stelle mich Dich mir ganz wie Luise vor, und ihr habt auch eine Menge Aehnlichkeiten. Fanny und ich finden immer mehere. Heute ist der Geburtstag von Hr. von Welden, und da ist alles nach Culmbach gefahren, blos die kleine Lotte mußte zu Haus bleiben, da habe ich sie denn zu mir gebeten, aber ich glaube kaum daß sie kommt, weil sie Schweizers bei sich erwartet. Gestern war Kränzchen bei Weldens, wo wir recht vergnügt waren, obgleich kein ordentliches Spiel zu Stande kam. Therese Schmidt frug gestern, wie immer, nach dir, sie sagt daß sie dich überall vermißte, in jeder Gesellschaft. Klara Rantzau erkundigt sich auch allemal nach Dir, und läßt Dich grüßen. Neulich machte ich mit der Stein und |3 Helene eine [...] förmliche Visite bei Rantzaus, wo es mir recht gefiel. Besonders interessiert mich Mathilde , sie kommt mir so idealisch vor.
Vorigen Sonnabend war der Geburtstag von Helene, den wir auf der Pudermühle mit Lina Bomhard, Lilli und Mimi , Fanny, Luise und Emma zubrachten. Es war ziemlich langweilig, was Weldens und ich uns nachher in Geheim gestanden. Die Mutter hatte mir auf dem Brandenburger Markt schöne Blumen gekauft, die schenkte ich Helene, aber gestern gab sie mir sie wieder, weil sie noch keine Blumen tragen durfte, da muß ich sehen ihr etwas anderes zu geben.
Eben fällt mir ein, daß in einigen Wochen schon der Geburtstag der Mutter ist. Wenn ich nur etwas für sie zu arbeiten wüßte, ich bin so ungeschickt und habe noch nie etwas zu Wege gebracht, daß ich gar nicht den Muth habe an eine Arbeit zu denken. Könntest Du mir nicht rathen, Dieze?
Gehtst Gehst Du recht oft spazieren? Und hast Du etwas von Veltheims gesehen oder gehört? Hoffentlich bist Du nicht so geizig Dir das Vergnügen ins Theater zu gehen gehen |4 zu versagen. Wenn Du Emilie oder Charlotte Veltheim siehst: so grüße sie doch ja recht herzlich von mir. Ich freue mich schon auf ihr Wiederhieherkommen.
Neulich war ein Bauchredner hier, wohin die Mutter mir auch erlaubte zu gehen, aber den ersten Tag wollte sich keine Gesellschaft für mich finden, und den anderen hatte er vor lauter Betrinken eine Halsentzündung mit der er abreiste.
Jd Jeden Morgen und jeden AbendNachmittag wenn ich Kaffe trinke, wünsche ich Dich zu mir. Könntest Du ihn mit mir genießen den Göttertrank, der Geist und Körper stärkend belebt! Wirklich Dieze ich wünsche Dir unsern guten Kaffe, trinkst Du immer noch Warmbier?
Die Mutter läßt Dir ausser tausend Grüßen noch sagen, daß wenn Heine das Singen für schädlich hält, Du es unterlassen solltest. Die Briefe vom Vater und der die die Mutter Dir geschickt sollst Du nur bis zu einer Gelegenheit mit der man sie wegschicken kann, behalten.
Emanuels sind in ihr neues Quartier bei Fischers gezogen. Es ist gar schön und hell bei ihnen, mir kommt die Wohnung noch zehnmal hübscher |5 hübscher vor, als da vor Fischers sie hatten.
Die kleine Therese wird allerliebst, sie ist entsetzlich lebhaft, und neckt einen schon so wie die kleine Adelheid Schweizer .
Es ist recht todt im Haus seitdem Bachs ausgezogen sind. Die neue Wirthschaft ist nur klein und macht gar keinen Lärm. Die Frau sieht eher einem Mädchen gleich als der Mutter zweier Kinder, sie ist recht hübsch.
Was würdest Du bei mir voraussetzen Dieze, wenn Du hier wärest und sähest wie ich jeden Sontag in die katholische Kirche gehe und gar in der Messe bleibe? Der Pfarrer und der Kaplan predigen aber so schön, daß es mir immer leid thut, wenn ich einen von Beiden versäumen muß. Von Weldens habe ich ein Gebetbuch geliehen bekommen was sehr schön ist, und da bleibe ich auch in der Messe. Gibt es in Würzburg auch gute Prediger?
Jetzt meine Dieze habe ich Dir alles geschrieben. Fanny hat schon wieder einen Brief für Dich angefangen, und läßt Dich grüßen, so wie Helene und Marie Sch. und alle Mädchen. Ist die Falk noch in Würzburg, und befindet sich Dein W Vögelchen wohl?
Deine
treue Emma
Zitierhinweis
Von Emma Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 21. Mai 1822, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0476