Von Caroline Richter an Josef Graf Sedlnitzky von Choltitz. Bayreuth, 15. Juni 1826, Donnerstag

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
Bayreuth, 15. Juni 1826

Gnädiger Graf!
Hochzuverehrender Herr Polizeiminister!

Entschuldigen Euer Exzellenz die Freiheit, welche ich in diesem Augenblick zu nehmen mich erkühne, mit dem Drang der Verlegenheit, in der die Verlassenen eines verdienstvollen Mannes sich befinden. Die Familie Jean Paul Friedrich Richters, dessen Schriften jetzt in einer Gesammtausgabe zu erscheinen schon angefangen haben, bekam durch die eigenhändige Vermittlung Sr. Majestät des Königs von Bayern von Sr. Kaiserlichen Majestät dem allergnädigsten Kaiser von Österreich, die hohe Versicherung eines Privilegiums gegen den Nachdruck und Verkauf des Nachdrucks der Jean Paul’schen Werke für alle Erbstaaten dieses mächtigen Kaiserreiches. Herr Minister von Stainlein, welcher sich gütig für diese Sache verwendet hat, gab mir herablassend die Nachricht, daß Ew. Exzellenz mit dem Gutachten über die Zensurgerechtigkeit dieser Werke höchst gnädig beschäftigt würden und daß die mühevolle Aufgabe der Kenntnis der Werke das einzige Hindernis der Ausfertigung des Allergnädigsten Kaiserlichen Privilegiums sei. Die gewisse Überzeugung, daß einer der edelsten und nur für die Tugend und Wahrheit lebenden Menschen, der hohe Mann, dessen Gattin zu sein ich das unaussprechliche Glück hatte, nie etwas anderes als zum Wohle, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, der Gesetze, der Ehrfurcht für edle Fürsten, geschrieben habe, konnte mich über den Erfolg unseres unterthänigsten Anliegens beruhigen, und das persönliche Wohlwollen Ihrer Majestät der Frau Kaiserin von Österreich ließ mich hoffen, daß man bald die verwaisten Abkömmlinge dieses für die Menschheit viel zu früh heimgegangenen Genius durch eine öffentliche Verfügung einer zu ihrem Wohle so höchst nöthigen Sicherstellung ihrer Eigenthumsrechte (an Jean Pauls geistiger Hinterlassenschaft das einzige, materielle Erbe dieses uneigennützigen Mannes) beschützen würde. Gewiß hege ich keinen Zweifel in dieser allerhuldreichsten Gesinnung, da ja das schöne Beispiel an „Goethe“ die Liberalität der Kaiserlich-Österreichischen Regierung ausspricht, allein vielleicht hindern zufällige Stockungen die Bestätigung der uns verheißenen Gnade, und die hohen Lenker unserer Angelegenheit wissen nicht, wieviel trotz allen uns bis jetzt von den deutschen Mächten: Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen, Hessen, Baden verliehenen und ausgefertigten Privilegien, auf das Alle überstrahlende Österreich ankommt, und wie es zu bedauern ist, wenn nicht gleich beim Erscheinen dieser Ausgabe die Privilegien den Werken vorgedruckt werden. Die unglückliche und gekränkte Familie des hohen Dichters Auf meinen unterthänigsten Antrag haben Preußen, Hessen und Sachsen in ihren Privilegien namentlich das Verbot von Auswahl und Auszügen mit aufgeführt, um welches auch bei der Abfassung des huldvollen Kaiserlichen, ich Ew. Exzellenz Menschenfreundlichkeit zu bitten mich erkühne. Eine Familie wird Sie dankbar segnen, wenn Sie die Kühnheit dieser bitte verzeihen der trauernden Wittwe und den verwaisten Kindern Jean Pauls.

Caroline Richter geb. Mayer.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Josef Graf Sedlnitzky von Choltitz. Bayreuth, 15. Juni 1826, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0520


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

D: Glossy, Nachdruck, S. 191–193.