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Berlin d. 14. April 1805.

Meine liebe Caroline!

Deine beyde Briefe von 18. Märtz u 5. April beantworte ich gleich, um sie durch die nach Erlangen gehende Fichtische Familie an Dich gelangen zu laßen. Du wirst von Ihnen mündlich manches uns betreffende erfahren, weil die Verbindung mit ihnen nie unterbrochen worden ist; u verweise ich Dich zum Theil darauff, weil ich heute nicht viel Zeit habe.

Deine Theilnahme an der Verbeßerung meiner Umstände konnte ich erwarten, u sie erhöhet meinen Genuß , so wie die Beruhigung, die sie mir gibt, daß ich Minna thätig unterstützen kann . So bald ich nur erst ihre Angelegenheiten in Leiptzig in Ordnung weiß, u ihren dauernden etat übersehen kann, werde ich mich deßhalb bestimmen. Zur Zeit war nur von einer vorübergehenden Pension des Herrn Voss die Rede, und noch erwarte ich, wie Minna ihren Wiederspruch dagegen durchgesetzt hat. Herrn Mahlmanns Erbieten ist in jeder Beziehung bloß generosité , u ich weiß sie zu schätzen, um so mehr zu schätzen, als er nie für Minna portirt war , u also um so edler handelt. Übrigens konnten mich diese Rücksichten nicht hindern, die nun leyder durch den Tod der guten Ernestine herbeygeführten Frage nach ihren Nachlaß zur Sprache zu bringen; vielmehr habe ich sie gleich zur Sprache gebracht, um sie nicht hinterher in Anregung zu bringen. Auch habe ich es mit menagement gethan; u die Sache stehet jetzt so, daß Herr Mahlmann die Verbindlichkeit anerkennt, mir als Vater den Pflichttheil von |2 allem dem zu geben, was nicht zur Gerade gehört, wozu er gegen Euch als Schwestern ein ausschließendes Recht hat. ich habe ihm dagegen alles, was er in Händen hat, als Gerade überlaßen, u werde auch statt des mir gebührenden Pflichttheils von dem hiesigen aus 1480 rth Gold bestehenden Vermögen , bloß 480 rth nehmen u Herrn Mahlmann den Antheil seiner Frau an den Richterschen gegen Obligation überlaßen. Darnach habe ich einen Erbrecess unter uns entworfen, u ihm zur Vollziehung überschickt; mit dem eintzigen Beding mit Dir u Minna davon Nachricht zu geben, damit ihr Euch selbst überzeugt, daß ihr als Schwestern an die Gerade keinen Anspruch machen könnt, welches nach den Leiptziger Statuten klar ist. – Übrigens werde ich die 480 rth. nicht für mich verwenden, es müste mich denn ein sonderbares Unglück treffen, vielmehr denke ich sie für den Julius Spazier zinßbar zu belegen, damit er dereinst einen Fond zum Studieren hat. ich bin zum Voraus überzeugt, daß Du diesen Gebrauch billigen wirst; weil das Wohl der Spazierschen Kinder darauff mit beruhet, Ihnen in ihrem Bruder [...] dereinst eine Stütze zu verschaffen.

In Absicht der Angelegenheiten Deines Mannes hat mir Mme Beyme noch mündlich gesagt, ihr Mann ließe mich versichern, er werde an ihn denken. Die Kälte der Cabinets |3 resolution (die Du mir nicht mitgetheilt hast) erkläre ich als eine Nothwehr, um Sich dem Vorwurf des gänzlichen Vergeßens zu entziehen. Es ist so böse nicht gemeynt, u ich werde das Feuer schmieden, weil es warm ist. – ich höre aber, Dein Mann hat der Frau von Kalb etwas von einem Ruf nach München gemeldet . [...] ich habe gegen die Annahme des Rufs nichts, allein es ist sehr klug von Frau von Kalb , daß Sie davon schweigt, so lange die Sache noch ungewiß ist. Mit der Verbreitung dieser Nachricht würde aller Eyfer für Deinen Mann hier erlöschen. Das erste Wort von Beyme war: Es ist nur gut, daß Herr Richter wieder im Lande ist.!!

Das billet der Frau von Berg habe ich von der Cabinets resolution (der ersten nehmlich) verstanden. Vielleicht hat sie mein billet an sie der Königin gezeigt denn dem Printzen George hat sie es geschickt, wie sie mir selbst sagte, u es war mit etwas Wärme geschrieben, wie es der Sorge eines Vaters um das Glück seiner Kinder angemeßen ist.

Von der Pauline Altenstein ist nichts zu fürchten, als höchstens ein bißchen Commérage . Sie ist ein gutes Mädchen, u ihr Bruder Deines Mannes Freund. Auch würde er noch thätiger seyn, wenn Dein Mann den Minister Hardenberg mehr in sein interesse zöge. Er hat Fichtens Schicksal geleitet.

Daß Minna nach Berlin komme, ist mir nicht wahr |4 scheinlich. Sie hat sich gegen die Tante Merzdorff dagegen erklärt; u ich wünsche sie auch nicht hier. Sie muß selbständig bleiben. u die eintzige Kraft üben, die sie erhebt; das ist ihren Verstand in nützlicher Anwendung. Eher würde ich sie nach Bayreuth wünschen. Aber eigentlich muß sie in einer Sphäre leben, wo man genialische Weiber erträgt, und wo es ihres gleichen mehrere gibt. In einer Welt von Geschäfts Menschen, wie Bayreuth gröstentheils ist, möchte sie ihre Rechnung nicht finden, u jede Demüthigung schlägt den Geist nieder, dem man bey Minna doppelte Flügel wünschen muß. Wie könnte sich sonst die Schaar periodischer Scribenten im Fluge erhalten? Besonders ein Weib, die nur durch Nachsicht bestehen kann?

Doch muß ich schließen. Grüße Deinen lieben Mann, u küße Deine Kinder. Meine Frau wird Dir selbst schreiben. Die Tante, die Sommern , u Wilhelm meine heutigen Tischgenossen grüßen Dich.

Dein

treuer Vater
Mayer

Herr Gall treibt jetzt sein Wesen hier, ich höre ihn nicht; sein grober Materialismus ärgert mich. Herr Fichte kömt erst Ende April.

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 14. April 1805, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0530


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