Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1
B. 10t Oct. 11.

Länger vermag ich es nicht, Ihnen, meine Theuerste meine Verehrteste, vorzuenthalten, den großen Dank, für Ihren lieben Brief , für das drückende interessante Tagebuch und besonders, für die Briefe Ihrer glücklichen Friedericke und Ihres unglücklichen Schwagers.

Die zwei Briefe an Schwester und Gatte sind unvergleichlich; mehr Liebe gegen Gott, Gatte, Kinder und Schwester; schöner Er- und Hingebung; eine höhere Religion; so viel Zartheit im Denken und Ausdruck; eine solche ruhige Verzichtleistung auf alles Irdische; eine solche Tugendfülle hab' ich in zweien Blättern nie vereinigt gefunden.

Wie muß Sie der Stolz, dieses Heilige Wesen Schwester nennen zu können, erhöhen u Sie ihm nahe bringen!

Könnt' ich Sie doch nur einen Tag sprechen u wenigstens die Hälfte davon von u über diesen Engel!

Hatten Sie diesen lange nicht gesehen? Schrieben Sie sich oft? Haben Sie viele Briefe von ihr? Führte sie kein Tagebuch?

O, Beste, schreiben Sie mir wenigstens mehr von diesem reinen Wesen, das viel zu rein |2 war, um länger unter den Menschen zu verweilen .

Sagen Sie mir, ich bitte Sie herzlich darum, ob dieser Engel so glücklich war, als unglüklich durch dessen Erhebung er Gatte – diesen am meisten – Freunde, Geschwister u Kinder nun machte?

Dies zweiblättrige, heilige Instrument hat mich auf eine Reise nach Würzburg begleitet, weil ich mich nicht v. ihm trennen wollte u nun kann ich das auch noch nicht: ich habe mir Abschriften davon genommen.

Diese geb' ich in demselben Augenblick Ihnen zurück, in dem Sie mir sie abverlangen, wie ich Ihnen schon geschrieben.

Verzeihen Sie mir diese meine Lust nach Ihrem Eigenthum u zugl. noch meine Bitte, die aus der Genehmigung dieser entsteht: mir dann zu erlauben, diese Abschriften an Jette Braun schicken zu dürfen, blos zum Lesen.

In der Liebe, so wie in der Freundschaft ist Ja u Nein dasselbe: ich werde jedes von Ihnen also mit Liebe u Dank annehmen.

Wie wäre mir's mögl., meine Treueste, |3 in meiner heutigen Stimmung über Ihre Reise etwas zu sagen?

Ich danke Gott, daß ich Sie u Amanda wieder beisammen weiß .

Für Am. ist diese Reise gewiß von großem Nutzen.Hätten Sie doch mit Rombergs zu uns kommen können!

Mir leuchtet ein Strahl v. Hofnung, viell. in diesem Jahre noch, in Ihre Nähe kommen zu können.

Kann ich so glückl. seyn: so schreib' ich es Ihnen gewiß vorher, denn ich liebe das wörtliche Überraschen, nicht das persönliche.

Küssen Sie mir Ihren Schwendler für seinen Zusatz in Ihrem lieben Brief ; komm' ich zu Euch dann setz' ich Küße zu; aber Liebe nicht, denn ich liebe Euch – wenn auch nicht überspannt – doch so heiß u so rein, als mir zu lieben je gegönnet ist.

Die widersprechend scheinende Weise Ihrer Antonie im Verhältniß des häuslichen Lebens erklär' ich mir dennoch recht leicht – das Ihrige natürl. noch leichter u mit der Zeit wird die brennende Schwester zur heißen sagen: "wir sind beide noch warm für das Rechte, nur du |4 meine ewig Geliebte hattest immer mehr Recht u so wird es bleiben."

Freilich wird die aeltere jetzt der jüngern widersprechen u die mittelste wird als Vermittelerinn herabrufen "meine geliebten Zwei, ihr habet beide Recht!"

Für die Gemälde, die Sie mir von Ihren Kindern schickten küß' ich Ihnen die Hand.

Gott gebe, daß ich diese Lieblinge bald selber sehen u küssen kann!

Vor 4 / am 6tenTagen wurde Ella, das gute Weib meines jüngsten Bruders, glückliche Mutter eines schönen Knabens. Vater u Onkel sind nicht minder froh u glücklich.Die Beilage an Ant. besorgen Sie gütigst, Gütige.

Schweigen Sie nur nicht so lange, als ich geschwiegen habe . Ich unterbreche wenigstens mein Schweigen bald.Die Ihrigen küß' ich herzlich u feurig.

Mit grenzenloser Liebe u Verehrung

Ihr E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Henriette Schwendler. Bayreuth, 10. Oktober 1811, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0539


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

Hk: Slg. Apelt
1 Dbl., 4 S. Brief- bzw. Blattnummerierung vfrH.


Korrespondenz

B: Von Henriette Schwendler an Emanuel. Meiningen, 26. August 1811