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Bayreuth, 10. August 1825.

Du denkst mir zu viel über Dich nach, stöberst jede Empfindung auf und weißt, was Du in jeder Minute fühlst. Darum kann ich noch immer nicht an ein wirkliches Gefühl glauben und doch hast Du mich schon zweimal bekehrt, wo Dein Ton, dem ich mehr glaube, der Text war, die Worte nur Begleitung. Hüte Dich ja vor Selbsttäuschung! Der Meisten Unglück ensteht aus ihr, und dann wälzen sie dem Schicksal oder den Anderen die Schuld zu. Vergieb diesen anmaßenden Ton! Meine dumme Phantasie macht in diesem Fall Dir gegenüber mich um zehn Jahre älter und stellt meine unverständige Vernunft auf die Kanzel.

Man sollte die Lücken im Gespräch, die eine dumme Scham hervorbringt, durch Schreiben ausfüllen. Man denkt viel besser, als man spricht, und darum glaubt man sich so oft in einem Charakter gerirrt zu haben, wenn eine briefliche Bekanntschaft einer persönlichen vorausgegangen.

Ins Wetter muß man sich finden, wie überhaupt in alles Unabänderliche, was mehr unser Interesse als unser Gefühl anregen sollte. Wer das kann, wird selten seine Heiterkeit verlieren.

Zitierhinweis

Von Emma Richter an Fanny von Welden. Bayreuth, 10. August 1825, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0541


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Textgrundlage

D: Emma Förster, S. 11–12.