Von Caroline Richter mit einem Nachsatz von Jean Paul an Henriette von Ende. Bayreuth, 4. September 1817, Donnerstag

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Wohl nicht 8 Tage hätte ich sollen hingehn lassen, ohne Ihnen gütigste Frau, den inniggefühlten Dank für Ihren Brief und für jedes Zeichen Ihrer liebenden Gesinnung, das Sie meinem Mann für uns mit auf den Weg gaben, zu sagen. Allein die ersten Tage des süßen Wiedersehns verflogen so schnell, u. ich befand mich in jenem glücklichen Zustand, in dem man mit Wonne jede Einzelheit der Empfindung genießen will, um nicht das Kleinste davon zu verlieren. Wie schön ist die Trennung, wenn solch ein Wiedersehn darauf folgt! – –

Ein Gedanke erfüllt mich in den seligsten Minuten nur oft mit Wehmut – es ist der, daß nicht alle die meinen herlichen Menschen loben, und seiner vielleicht mehr werth sind als ich, in eben so ruhig u. ungetrennt besitzen können! Wie wäre mir, wenn ich ihn hingeben müßte, oder nach dem Erkennen seines Wesens, das mich wie die edeln Heidelberger, vor 16 Jahren eben so magisch ergrif – ihn hätte für ein ganzes Leben nur aus der Ferne anbeten dürfen! Einst wenn ich Sie wiedersehe, Sie gute theilnehmende Frau, erzähle ich Ihnen die Geschichte unsres Findens – ein Antheil wie der Ihrige wird das Ihrige wird das Entzücken begreifen mit dem ich davon spreche.

Glücklich kam mein Mann am 25 Aug. zu uns zurück. Ein verspäteter Brief war Ursach, daß ich ihn an jenem Abend nicht erwartete, u. er eine halbe Stund mit unserm Sohn Max allein zu Hause war, ehe ich mit meinenbeiden Töchtern von einem Spaziergang nach Hause kam. Dis war freilich ein böser Zufall für mich, die ich aus seinem Empfang mir ein wahres Fest gemacht hatte. Eine sehr harte Besrafung des besten Willens, dem das Schicksal einen Stoß geben wollte – allein werden nicht |2 im irdischen Leben oft unsre liebsten frömmsten Wünsche gebrochen, das reinste Handeln verkannt? So will es das Schicksal, und so krazt es auch mich an der empfindlichsten Stelle. Die Milde die Güte meines herlichen Mannes rügte dieses nicht, ob es ihm gleich in den ersten Augenblicken an manchen Bequemlichkeiten fehlte – allein um so schmerzlicher war es mir Arme. Denn wenn Sie wüßten wie ich in der ganzen Reihe vergangener Tage einzig an diesen Tag gedacht, wie oft ich zu Gott gebetet hatte, nur für diesen alles rein und harmonisch gelingen zu lassen was – mein ohnmächtiger Wille angelegt – Sie, meine Gütige, würden wehmütig mich beklagt haben

Am zweiten Tage gab uns mein Mann die Erzählungen seiner erlebten Freude. Nie werden sie aus seinem Gedächtnis schwinden, weil sie ihm von den edelsten Menschen gereicht wurden. Möchten doch alle die Theuren den Dank annehmen, den auch Ich ihnen dafür bringe, besonders Sie, gütige Frau, die edeln Schwarzens, Prof. Voß, die Familie Paulus, u. wer kann sie zählen die treflichen Menschen? Eine schwere Aufgabe ist es nur für uns, ihm die Heimath angenehm zu machen, da die Außenwelt ihm wenig hier bietet, was seinen Geist und sein Gemüt befriedigen kann. Ob es gleich nicht zu leugnen ist, daß unter den Frauen hier Manche durch Verstand u. Bildung sich auszeichnen, so fehlt ihnen doch die unbefangene Offenheit, u. eine gewisse Herzenswärme, die mit Glut dem huldigt, was das Gemüt |3 ergriffen hat, und darum gleitet so manche sonst intressante Erscheinung an meinem Mann vorüber. Ihr Klima, das neue frohe hochinnige Freundesbegrüßen, das ists, was in Heidelb. ihn aufschloß u. erwärmte, und dies fehlt hier ganz. Unter den Männern sind hier wenige, mit denen mein Mann in wissenschaftlichen Brührungen sich begegnet, und keiner der ihm gleich kommt. Aber Viele, die ihn erkennen, ihm huldigen, und mit Enthusiasmus an Allem Antheil nehmen, was von u. durch ihn kommt, und für ihn geschieht. Zwei nähere Freunde haben indessen nur allein das Recht ganz in seine Seele zu schaun. Emanuel und Otto – Mit leztrem hatte mein Mann schon seit dem Jünglingsalter eine brüderliche Gemeinschaft; Emanuel, der Sie mit Dankbarkeit u. Verehrung grüßt, kennen Sie.

Ob dieser Brief Sie noch in Heidelberg treffen wird? Doch wo es auch sei, folgt Ihnen mein heißer Dank nach, und ich werde nicht allein in den zartgewählten Geschenken, die mir große Freude machten, sondern in jeder frohen Erinnerung meines Mannes an eine schöne Zeit, Ihr Bild lebendig vor meiner Seele haben.

|4 Das Glück geistiger Vereinigung auch entfernter Personen belebt meine glückliche Gegenwart um Vieles, aber der Augenblick, wo ich Ihnen das mündlich einmal sagen kann, möge nicht fern sein! Mit innigster Liebe u. Verehrung

die Ihrige

Caroline Richter
geborene Mayer.

N. S. Mit Freuden fügt hier der Mann Gruß u. Dank für die Trefliche hinzu. Ihrer reichen Hand werden die Blumen unter dem Vertheilen wachsen, u. sie wird immer einen üppigen Schmuck für das Herz behalten, wenn sie auch noch so viele weggegeben. J. P.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter mit einem Nachsatz von Jean Paul an Henriette von Ende. Bayreuth, 4. September 1817, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0569


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Textgrundlage

H: BNUS, Notes et correspondance de Johann Heinrich VossFol. 696–697
1 Dbl. 8° 4 S. 3¼ S. von Caroline Richter, ½ S. von Jean Paul. Auf S. 1 oben links vfrH: "b".

Überlieferung

D: 3. Abt., Bd.