Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 20. Dezember 1800, Sonnabend

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den 20ten Dezbr. 1800

Warum kann ich Ihnen nicht an den Hals fliegen mein theurer unaussprechlich geliebter Vater, warum muß grade jetzt eine so weite Kluft zwischen uns liegen; da mein volles dankbares Herz sich heißer vor Ihnen ergießen möchte als es auf dem todten Papier vermag. Mein guter Vater, womit habe ich ein so hohes Vertrauen verdient, daß Sie ganz mir selbst die Wahl des Mannes überlaßen wollen mit dem ich nun so innig und fest und auf ewig verbunden bin. Ach, wie unendlich glücklich bin ich, daß ich so ruhig und sicher meinem Schicksal entgegensehn kann, so ruhig und sicher dem Augenblick da auch Sie den Manne kennen lernen werden, an dem ich mit so hoher Achtung und so reiner Liebe hänge, und der auch Ihr Herz und Ihre ganze Seele für sich gewinnen wird; das fühlt das meinige! Ja, gewiß mein Vater, wird Ihnen Ihr ganzes Herz aufgehen – wenn Sie einen Blick |2 in die Seele meines Freundes Ihr werden geworfen haben – gewiß werden Sie sich durch das reinste Zutrauen zu ihn für sich gezogen fühlen wenn Sie den Charakter der edlen Männlichkeit der auf seinem ganzen Wesen ruht in ihm erkannt haben. werden Doch genug, und schon zuviel – ich wollte ja nichts über ihn sagen.

Ihr lieber Brief , mein guter Vater, kam gerade an einem Tage an, da ich ins Krankenbette lag, und um mich vor einer solchen Gemüthsbewegung als nothwendig für mich daraus erfolgen mußte zu bewahren, hatte ich erst 2 Tage später die Freude – die Entscheidung über das Glück meines Lebens in ihm zu erhalten. Meine Krankheit war grade nicht von Bedeutung wenn sie mich gleich noch jetzt im Bette feßelt. Es war uns ein Tribut den alle Fremde Fremde in Leipzig entrichten müßen ehe sie die Luft ganz gewohnt werden. Ein hiesiger sehr geschickter Arzt wird mich noch meiner völligen Genesung förmlich naturalisieren, das heißt, eine eigne Art von Diät, besonders in [...] Rücksicht der wärmeren Bekleidung die hier durchaus nothwendig ist |3 mir verschreiben, nach welcher man hier leben muß. – Wie eigen, daß ich die ich nie eigentlich krank war, grade in der Periode da das Leben erst anfängt eine eigentliche Bedeutung für uns zu erhalten, auf dem Punkt stand wenigstens zu ahnden wie viel ich verlieren könnte. –

Was meinem Briefe als Begleitung beigefügt ist – nehmen Sie für einen sehr natürlichen Herzens-Erguß des Mannes an, der die Empfindungen des Danks nicht bis dahin unterdrücken kann da die Umstände es ihm erlauben werden die Reise nach Berlin zu machen, und sich Ihnen auf eine Andre Art zu nähern. Ich fühle daß ich alles thun muß, um den hohen Werth den er auf das Geschenk das er durch Sie in mir erhält – legt – nur einigermaßen zu rechtfertigen – dies wird das Bestreben meines ganzen Lebens seyn.

Leben Sie nun wohl und glücklich mein geliebter Vater, sobald ich gesund bin hören Sie mehr von Ihrer treuen Tochter

Ernestine.

Lieber Vater, ich habe kein Geheimniß vor Caroline – sprechen Sie immer mit ihr von meinem Glück.

|4 Sie überhäufen mich mit Güte mein liebster Vater – wieder ein so großes Weinachts Geschenk! mein guter Vater! Nächstens schreib ich Ihnen ausführlicher meinen Dank – doch wie läßt sich der schreiben? –

Ihre treue Tochter.

Beikommende Quittung von Mama wird von der Bitte begleitet daß Sie doch die gütigst das Geld mit dem Was was Sie an Minna schicken gemeinschaftlich assigniren.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 20. Dezember 1800, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0580


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.