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Eisenach, den 24sten Nov.
1819

Ihr Gruß , mein theurer Emanuel, klang meinem Herzen sehr freundlich, aber er klang auch wehmüthig weil er der Freundinn Andenken brachte, die nicht selber es schiken konnte. Ich bin noch sehr in Sorgen um unsre Henriette, eine so ernste Krankheit wie sie gehabt haben muß, da sie dem Tode nahe war, läßt oft tödtende Folgen nach, ich zittre, daß Sie mir, guter Emanuel, nicht bald schlimmeres melden. Es ist recht eigen daß ich gerade von dieser Henriette entfernt leben muß, die mich so treu liebt und an deren kräftigen ehrlichen Sinn ich mich so gern halte. Obschon, wir nicht immer ganz in unsren Ansichten und Meinungen harmonieren, so ist dennoch geachtet ein Einklang in unsern Innern der mich um so inniger bedauren läßt, daß wir uns nicht zuweilen sehen. Sehr dürftig bleibt ein für allemahl die schriftliche Unterhaltung im Vergleich zur mündlichen |2 Oh, wenn wir in den lieben Gesichtszügen in dem klaren geistigen Auge lesen können was die Seele spricht, oh da ließt sichs beßer als vom kalten Papier wo Zeit und Raum dazwischen liegen. Oft las ich so mit Ihnen, mein Freund, mit Richter und mit meiner lieben Henriette! —

Daß Sie glücklicher Gatte und Vater sind darüber freut Sich mein Ihnen bekannte altes treues Herz, Gott erhalte Ihnen was Sie besitzen und so genießen Sie in langen Zügen aus dem freudigen Becher den Ihnen das Leben reicht! —

Meine Verhältniße sind die nähmlichen wie Sie sie kennen, Schwendler lebensfrisch und lebensthüchtig, die Kinder gedeihen. Amanda ist mir wakre Frau und glükliche Mutter von zwey Mägdleins , ein drittes Kind erwartet sie in Kurzem , mein Leopold ist in Coblenz angestellt, sein fester |3 freyer Sinn, den das Leben geläutert hat komt ihn bey der allgemeinen Geistes Preße sehr zu statten, gerade bey der Polizey wo er angestellt ist, nutzt er viel. Pauline ist verlobt an einen der edelsten und vortreflichsten Männer den ich kenne, in diesem Sohne meines Herzens ist mir ein eignes Leben aufgegangen, in tiefer Wahrheit und reinem Erkennens. Reinhold und |4 Carl gedeihen in Fröhlichkeit und lernen fleißig, das Glük hat uns einen tüchtigen Lehrer für die Buben zugeführt Dieß ist eine wichtige Sache.

Um mich her ist alles frisch u lebensfroh, ich möchte es wohl auch seyn, aber meine Gesundheit taugt nicht viel. Zuweilen beherrsche ich mit aller Gewalt die der Geist über den Körper haben soll denselben, aber oft und sehr [...] fühle ich mich sehr gedrükt bis zur äußersten Hypochondrie gebracht. Meine Leiden sind der Art daß ein baldiges über winden derselben nicht zu denken ist mein Arzt verweißt mich auf Geduld der Himmel verleihe sie mir immer, dieß ist mein Gebet. Uebrigens müßen wir Alle tragen bis man uns zur Ruhe trägt, und viel viel Gutes ist mir im Leben mitten in den Prüfungen geworden. Schwendler grüßt 1000 mahl, geben Sie mir bald wieder ein freundliches Zeichen oder laßen Sie es mir nur durch Henriette geben. Ihrer lieben Frau Kuß u Liebe. Wie es immer war u ewig seyn werde Ihre treue

Henriette

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Emanuel Osmund. Eisenach, 24. November 1819, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0584


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Textgrundlage

H: Slg. Apelt
1 Dbl., 4 S. Brief- bzw. Blattnummerierung vfrH.