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Meiningen den 8ten August
1809

Geliebte, Unvergeßliche Caroline!

Durch Frau von Lochner begrüßte ich Dich, jetzt Geliebte, durch diese Zeilen. Daß ich reicher geworden bin, weißt Du durch meine Antonie, ja liebe Caroline, ein lieblicher Knabe, macht mich jetzt zu einer reichen und frohen Mutter.

Viel Zeit kostet mir freylich der liebe Kleine, und darum bekomme ich viel Schelte. Aber er bedarf auch großer Sorgfalt und Pflege; er kam ungewöhnlich klein und zart zur Welt; meine erste Freude war zugleich ein stiller Schmerz, weil ich glaubte der geringste Unfall könne mir den Liebling rauben. Nun fängt er an zu gedeihen, er wird stark und kräftig. Er gleicht ungemein seinem Vater ein braunes Härchen, große blaue Augen und ein überaus freundliches Gesichtchen, so denke Dir meinen Reinhold, habe ihn lieb und unser Richter soll ihn auch lieb haben.

Die Lochner schreibt mir, Richter habe das kalte Fieber, dieses Fieber ist so überall herrschend in Deutschland, doch möchte ich, daß |2 es Unsern R. bald verließe, um so mehr, da es hier bey den Kranken eine lange Schwäche nachläßt. Der trefliche Langermann wird alles anwenden, Du sagst es mir aber bald, wenn unser Guter, wieder hergestellt ist. Wie geht es Dir, meine Caroline? was machen Deine Lieblinge? Oh, Liebe, wenn ich gleich ein wenig faul im Schreiben war, so sind diese Fragen meinem Herzen immer gleich nahe und die Sehnsucht nach ihrer Beantwortung gleich stark. Du und Alles was Dein ist, gehört mir auf ewig, und ich gehöre Dir eben so, mit treuer Ergebenheit.

Es ist jetzt alles vergeßen, aber meine Schwangerschaft war sehr beschwerlich, besonders konnte und durfte ich mich wenig anhaltend beschäftigen, deshalb schrieb ich beynahe an niemand.

Antonie reißt in vierzehn Tagen mit Hendrichs in die Schweiz. Die Glükliche, sie wird den AltVater Rhein stürzen sehen |3 wird Alpen Röschen pfüken, – wenn nicht die Blume doch Blätter von ihrem Strauche - sie wird Pestalozzi sehen und bey ihm wohnen und in seinem Institute lehren kurz sie wird genießen in Fülle und vollen Zügen. Ich gönne es ihr mit inniger Schwester liebe, wir Liebe, Du und ich Caroline, werden wohl schwerlich die Schweitz sehen, dafür haben wir unsre Kinder, und diese Natur, diese zu studieren und beobachten, ja das ist das höchste! —

Der Sommer war nicht schön, immer rauh ich sehne mich um meines Kleinen willen mehr wie je nach warmer Luft, damit er immer im Freyen seyn kann. Seit 2 Monathen bin ich Besitzerin eines der schönsten Berge in der hiesigen Umgebung. Da habe ich recht viel anzuordnen und zu arbeiten, dabey mein Garten und die Kinder. Nicht wahr, Gute, Du glaubst das ich recht beschäftigt bin, und wenig |4 Zeit übrig habe. Es muß aber so sein, besonders in Meiningen wo man außer dem Crayse der Seinen nichts hat.

Eine angenehme Erscheinung hier, darf ich dir offen nicht verschweigen, denn Du mußt Meiningen um Deines ersten Aufenthalts willen und um Deiner Henriette immer ein wenig lieb behalten. Ein Schwieger Sohn von Salzmann mit Namens Mercker hat sich hier etabliret, um eine halbe und ganze Pensions Anstalt anzufangen. Ich schike Pauline hin und bin mit dem Unterricht außerordentlich zufrieden. Mercker ist ein Mann voller Talent und besonders gemacht Mädchens‘ zu unterrichten. Er ist fest und sanft. Seine Frau ist sehr liebenswürdig, ohne sie geistig mit Dir vergleichen zu können, so hat sie doch von der Wahrheit Deines Carakters, und Deiner schönen Weiblichkeit vieles was mich so freundlich an Dich erinnert, dazu Deine Gestalt, daß ich das liebe Wesen

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Caroline Richter. Meiningen, 8. August 1809, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0621


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt.