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Berlin d. 24. May 18.

Meine geliebte Caroline!

Als Antwort auf Deinen lieben Brief vom 17ten April 18. kömt mein jetziger wohl spät genug, um Dich über mein Befinden beunruhigt zu haben; allein ich hoffe, Du wirst meine Entschuldigung gelten laßen, wenn ich Dir sage, daß ich alle meine Zeit auf die Abmachung aller meiner bis Ende April auf mich vertheilt gewesenen Amts Geschäfte verwendet habe, um mit ruhigen Gemüth am 1. Juny als dem Tage meiner Abreise nach Neustadt Eberswalde von hier, zum Genuß eines Zwey monathlichen Urlaubs abgehen zu können. Auch nimt in der That meine Bewegungs Kraft mit jedem Tage mehr ab, so daß ich zum Gebrauch des Bades eilen muß, wenn ich meines Daseyns wieder frohe werden will. Denn so wie es jetzt auf mich lastet, ist es mir noch nie seit dem Junius 16. beschwerlich gewesen. ich kann nehmlich 8. bis 9. Stunden schlafen, ohne mich dadurch am folgenden Morgen erquikt zu fühlen. Besonders drückt mich das Gefühl meiner gehemten Geistes Kräfte fast noch mehr als meine Lähmung, der ich doch durch Führung u Fahren zu Hülfe kommen kann, und beydes auch täglich anwende, um am Ende nicht gantz zu werden. Habe ich daher gleich ein sehr blühendes |2 äußeres Ansehen, so dient doch das zu nichts als bey aller Welt damit beschrieen zu werden, u meine Lähmung für nichts als ein vorübergehendes Übel gehalten, zu sehen.

Urtheile also selbst, ob ich auch nur aufgelegt zum Brief Schreiben habe seyn können.

Dein Wunsch um mir zu seyn, und mich zu pflegen, hat mich sehr gerührt, u ich werde ihn, wenn das Bad mich nicht herstellen sollte, zu erfüllen suchen.

Einen Besuch bey Fräulein Schukmann hätte ich wohl ablegen sollen; allein ohne Theilnahme meiner Frau, wolte ich dieß, nicht, u mit einer Carte wäre es doch nicht abgemacht gewesen. Meine Frau aber hatte eine Abneigung gegen eine persönliche visite; u ich wollte sie nicht gegen ihren Willen dazu animiren. Du mußt uns also durch den Beruf auf mein Befinden, u durch die Theilnahme meiner Frau an meinen Schiksal, zu entschuldigen suchen.

Vor meiner Abreise ins Bad aber werde ich noch an den Herrn Min. v. S. eine Carte abgeben. Wir begegneten uns neulich unter den Linden, wo er wahrscheinlich mit seinen Schwestern ging, während ich in einem der jetzt in Berlin gewöhnlichen Einspänner, Droschke genant, fuhr u er mich ansichtig wurde, u grüsete.

|3 Von Neustadt aus werde ich aber auch der Minna , u durch dise Dir Nachricht von dem Erfolge meiner Cur geben. An Zerstreuung wird es übrigens in Neustadt nicht fehlen, da es jezt stärker als Freyenwalde besucht wird; auch nehme ich meinen Reise Wagen mit, um auch für auswärtige Parthien gerüstet zu seyn.

Sollte Dein lieber Mann seine Reise noch nicht angetreten haben, so grüße ihn von mir; sowie die Emma u Deine übrige Kinder , die ich meiner innigsten Liebe versichere.

Meine Frau grüßt hertzlich.

Daß die gute Sommern gestorben, u bereits begraben ist, wirst Du vielleicht schon erfahren haben. Die Tante Mertzdorff ist fortdauernd an ihre Krüken gebannt; u für mich, bey meiner Lähmung bey ihren hohen u unbequemen Treppen noch dazu unzugänglich, wogegen meine Frau sie öfter siehet, u sie auch aus meinem Hause gepflegt wird.

Lebe wohl, u liebe Deinen treuen Vater

Mayer.
Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 24. Mai 1818, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0646


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3 S.