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Heidelberg den 26 September 1821.

Recht herzlich danken wir alle, Ihnen geliebte Freundin, daß Sie uns die glückliche Ankunft Ihres lieben Sohnes, dessen wohl uns so ernstlich am Herzen liegt, so gleich gemeldet haben. Es war gewiß daß beste was er wählen konnte so bald es der Arzt erlaubte zu Ihnen zu eilen, und ohne diese Erlaubniß hätten gewiß nicht reisen lassen. Die Zeit bis Ihr Brief ankam hat uns ausschließend nur der Gedanke beschäftigt wie es ihm gehen möchte. – Die lezten Tage hier, war er Fieber frey, aber sehr matt, und ängstlich bey allen was er vernahm. Wir hoffen fest daß er unter treuer Mütterlicher, und schwesterlicher Pflege sich bald völlig erholen wird, und daß sein Geist unter Väterlicher Leitung eine feste Richtung erlange, deren er sehr bedarf, um in den Jahren die für sein ganzes Leben so wichtig sind, sich nicht auf Nebenwege zu verirren, deren es hier so manche giebt, Dis liegt uns fast mehr am Herzen, als sein körperliches wohl, denn er hat ein höres streben in sich daß beste zu wohlen. |2 Der schnelle Wachsthum des lezten Jahres hat natürlich seine Körperkraft geschwächt. Gewiß hat er auch sich zu sehr angestrengt und verwirrt durch die vielen Collegia die er durcheinander gehört. Unaufgefodert haben natürlich, weder Paulus noch mein Sohn ihn bey der Wahl seiner zu hörenden Fächer leiten wollen weil sie die Grundlagen auf die gebaut werden solte nicht genau kannten. –

Auch Voß der sich einen jungen Mann als leitender nie aufdrängt, hat Feuerbach (der ihn durch die Frau von der Ende dringend empfohlen war) und bey Max der ihn sein Herz empfahl, nur im Anfang einen gemacht, bey der Fähigigkeit auf eigne Anstrengung zu lenken, und sie für zu grelle Abwege zu warnen. Diese Bemerkungen wird eine liebende Mutter aufnehmen wie sie gemeint sind, und der liebende Vater wird sie nutzen, oder berichtigen wie es ihn |3 sein Herz eingiebt. Gewiß fühle ich in diesen Augenblik, daß Ihres Sohnes wahrs Wohl uns allen an Herzen liegt, denn wir haben ihn als einen kindlich unschuldigen sehr lieb gewonnen, und wünschen von ganzen Herzen daß er bald zu der Festigkeit gelange daß er prüfe ehe er wähle. Dringend bitte Sie auch noch uns recht bald Nachricht zu geben, wie es fort fährt mit seiner Gesundheit zu gehn, wir hoffen daß nur die nicht kleine Anstrengung der Reise, sein Fieber wieder kehren gemacht. Unsern Freund ist es mit seiner Reise gegangen wie uns, wir haben noch bis Anfang September gehoft sie aus führen zu können. Es sind hier nicht wenige denen diese vereitelte Hofnung traurig war. Heinrich wäre gar zu gerne in seiner Gesellschaft nach Kreuznach gereist, wo auch so viele hoften, jezso ist allein gereißt, und sehr |4 heiter dort. Mit geht es jezt recht leidlich, nach einen sehr schmerz vollen Sommer, erst nach Johannis kam ich wieder an die Luft, um mich unsres schönen Gartens zu freuen. Das gehen wird mir freylich noch sehr schwer, aber die freundliche Theilnahme in und ausser dem Hause erhält mir Muth und Hofnung bessrer Zeiten. Die herzlichsten Grüße von uns alle, an Sie und die Ihnen nahe stehen, vorzüglich an den lieben Max, den Sie noch erzählen können daß ein Myrtenreis welches er mir in einen Blumenstrauß schenkte, von mir eingepflanzt, jezt eigne Wurzel geschlagen, und von mir zum Bäumchen gepflegt werden soll.

Ihre Freundin E. Voß.

Zitierhinweis

Von Ernestine Voß an Caroline Richter. Heidelberg, 26. September 1821, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0648


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.