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B. 14 Apr. 2.

Caroline! Es ist eine ausgemachte u. v. mir schon oft niedergeschriebene Wahrheit, daß man b. keinem Entfernten oefter ist, als b. dem, dem wir einen Brief schuldig zu beantw sind.

Wär' ich doch immer so stark u könnte mir einbilden, daß ich nicht schreiben will, wenn ich's nicht kann; aber ich bin so schwach, daß ich nicht einmal über meinen einzigen Menschen Herr werden kann.

Der Winter hat uns verlassen, ohne daß ich S. in Berlin u in ihm sehen sollte u nun, da wir im Frühling sind, fehlt mir sogar die Hofnung, S. schon im Sommer aufsuchen zu können, u ich muß mich mit der, daß es viell. im Herbste – dieser Perioden hat nun die 4 Jahrszeiten in sich – geschehen kann, begnügen.

Noch hab' ich das Andenken einer vor 14 Tagen zurückgelegten Reise so lebhft u so schön in meiner Seele, daß ich sie mit keinem Reiseplan stören möchte.

Ich war b. Richters in M. Car. R. kennen S. nicht nur, sondern S. kennen C. u R., ich hab' Ihnen nichts zu sagen, als daß ich b. ihnen war, um Ihnen meine Reise zu beschreiben, die ich noch vergnügter verlebte, als ich s erwartete.

Richters sind wohl u vergnügt u so ists Jedem in ihrer Nähe.

In der nächsten Messe werden sie nach Leipzig gehen, um ihren Vater aus Berlin u ihre Geschwisterte zu sehen; eine Zusammenkunft, die gegenwärtig Allen schon grenzenloses Vergnügen giebt .

Das, was ich in der Welt u also auch in Berlin suche, sind gute Menschen, denn die andern haben nicht Schonung genug für mich, u diese find' ich, wenn ich komme.

Der C. R. hab' ich schon Einiges v. Ihnen geschrieben u mehr mit ihr v. Ihnen gesprochen.

S. ist für sich b. dem Verlust ihrer Auguste sehr getröstet u auch für ihren Vater ist sie's, da das leidende Wesen doch nie zu heilen gewesen wäre.

|2 V. der lieben Mahlmann, durch die S. diese Worte zugelangt bekommen, hab' ich unter dessen einen recht schönen Brf. erhalten u mit ihm viel Freude.

Es ist – das glaub' ich – nicht recht, daß S. ihr nicht geschrieben haben.

Die Nachricht die S. mir v. dem Glücke Ihres guten Bruders gaben, hat mich nicht nur herzl. gefreuet, sie hat so auf all die Meinigen gewirket, denen ich diese, b. uns so seltene Züge erzählt habe.

Nun thut mirs um so mehr leid, daß ich diesen brav. Menschen in Leipzig nicht zu sehen bekam.

Ich bitte S. um die Addresse seines künftigen Schw.vaters , den ich, wenn ich nach Hamburg gienge, was doch gewis, wenn auch nicht zu geschwind, einst geschiehet, aufsuchen werde.

Daß S. mir Vieles v. Ihren Verwandten sagten erkenne ich u ich finde so nichts zu verzeihen dabei, daß ich Ihnen beinahe nicht verzeihen möchte, daß S. mich dieserwegen um Verzeihung bitten mögen u können.Mit Rührung las ich heute wieder Alles was S. mir über den 70sten Gebt. Ihres guten Vaters schrieben u für jedes kindliche Wort bring' ich Ihnen meinen Dank.

Ich verliere tag tägl. mehr Zutrauen zu meiner Nation u zu ihrer Besserung. Ihnen trau' ich's zu, daß S. sie so nehmen wie man sie nehmen muß.Was man nicht oft genug noch sagen kann u was auf die größte Zahl der Menschen anzuwenden ist, möcht' ich stets über meine israelitischen Brüder ausrufen u ruf' es auch aus: "Herr verzeih' ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun". Meiner Menschen- Bruder- u Israeliten Liebe setzen meine hiesigen Israeliten sehr viel zu; aber wie gesagt, sie sind unschuldig.

Ich wünschte jetzt einen 50jährigen oder auch einen solchen doppelten Schlaf schlafen zu können, dann würd' ich b. einem heitern Frühlingsmorgen erwachen können. Jetzt träum' ich, nicht wahr Caroline? Wenn S. wieder eine müssige Stunde haben, geben S. sie mir, keinem Andern. Leben S. wohl, recht wohl!

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 14. April 1802, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0661


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Textgrundlage

Hk: Slg. Apelt
1 Bl. 8°, 2 S.