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Berlin d. 13. October 18.

Liebe Caroline!

ich fühle mich nach Abgang meines letzten Briefes durch das darinn enthaltene gewißer maaßen geschehene Verbitten Deiner Nachfragen nach meinem Befinden, gedrückt; und bitte Dich deßhalb um Entschuldigung. Es ist als eine hypochondrische ideé, Folge meines Mißmuths über meine Abhängigkeit in cörperlichen Bewegungen, keinesweges aber für mehr als diß anzusehen; und ich wollte um alles in der Welt willen nichts von Deiner so zärlichen Theilnahme an mir einbüßen. ich bitte Dich also auch in der Folge um diese Theilnahme, u habe Dir diß um meiner u Deiner Beruhigung willen sagen müßen. Etwas entscheidendes über mich kann nur das Gefühl meines herannahenden Todes seyn, u dazu habe ich bey meiner mir sonst beywohnenden cörperlichen Kraft jetzt noch keinen Anlaß; vielmehr hoffe ich bey Wiederkehr der guten Jahres Zeit sowohl in dieser Hinsicht, als in der, bey meinem fortgesetzten Geschäfte mir so nötigen Geistes Kraft das beste. Denn freylich habe ich seit 2. Jahren viel, sehr viel, von meiner energie eingebüßt, u empfinde diß tief; kann aber auch Gott nicht genug danken, daß er mir in meinem Alter eine Frau zugesellet hat, die den höchsten Grad von energie besitzt, und mir soviele Sorgen abnimt. Meine Thätigkeit ist, außer meinen Amts Geschäften |2 wobey ich wiederum durch die humanitaet meines Praesidenten sehr Soulagirt werde., hauptsächlich darauf gerichtet, von meinen seit so vielen Jahren aufgesamleten Scripturen alles dasjenige durch Feuer zu vernichten, was meine Erben nach meinen Tode zur Last zurükbleiben würde, u mir des Aufbewahrens nicht werth scheint.

Was übrigens mein im Februar 1820. eintretendes 50ttes Dienst Jahr für Erleichterungen in Geschäften für mich herbeyführen wird, kann ich noch nicht übersehen. Denn eine meine jetzige Dienst Einnahmen beschränkende Pension ist mir in Rüksicht auf meine Kinder u Enkel Kinder , keine beruhigende idée, zumahl ich durch die erlittene Quartir Kündigung fast um die Hälfte des bisherigen Mieths Zinses gesteigert bin, indem ich jetzt 525 rth courant jährliche Miethe zahlen muß, und auf so hoch für 3. Jahr lang bis Michaelis 1821. contrahirt habe; als dann aber vielleicht noch gesteigert werde, der jezt in Berlin immer zunehmenden Theurung nicht zu gedenken. Nur sogenannte Jubilirung mit Beybehaltung meines Gehalts könnte mir frommen, läßt sich aber nicht garantiren.

Doch ich setze die Sorgen für die Zukunft bey Seite, u schließe aus dem Guten, was mir Gott bisher zugeworfen hat, auf fernere Dauer deßelben.

|3 Übrigens nahet Weihnachten heran, u ich bitte Dich zum voraus, die Verwendung desjenigen, was ich Deinen Kindern in baarem Gelde bestimt habe, für sie zu übernehmen. Denn Beschaffung hiesiger Sachen ist nicht räthlich, Du müstest denn etwas vorzuschlagen wißen, was dort nicht zu haben ist. Hierüber aber bitte ich um Antwort.

Grüße Deinen lieben Mann u Kinder von mir u meiner Frau, u liebe fortwährend

Deinen

treuen Vater
Mayer

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 13. Oktober 1818, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0674


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 2½ S.