Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig, 26. August 1802, Donnerstag

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Leipzig. den 26sten August. 1802.

Meine geliebte C'aroline, seit zwey Tagen bin ich wieder in meiner hier angelangt – und der erste Moment der ruhigen Besinnung, soll Dir gewidmet seyn. Der Wunsch, einen Brief von Dir hier zu finden, war zu lebhaft, als daß er nicht fest an eine bestimmte Erwartung hätte gränzen sollen. – Ich habe keinen gefunden und dieß macht mich unruhig. – Den Grund dieser Unruhe kann ich nur nicht deutlich erklären – zunächst aber fühlte ich, daß die Besorgniß für Deinen Gesundheits-Zustand mir am Herzen liegt. Darum muß ich Dir schreiben und Dich bitten, mich bald aus dieser Unruhe zu reißen. Du liebstes Geschöpf, Dein Bild steht jetzt fast immer während vor mir, und nächst der süßen Sorge für das Wohl meines Mannes – kenne ich fast keine andre als die für Dich! – Schreib mir doch wie Du Dich zu Deiner Niederkunft einrichtest, und wer eigentlich zu Deiner Pflege und Wartung sich annehmen wird. – Ich kann die Frage, welche Du in Deinem Briefe hinwarfst. – ob Du mich wohl in jener Zeit bey Dich haben könntest – nicht mit Stillschweigen übergehen, sowohl um meinetwillen als um Deinetwillen! – Ich schrieb jene Frage an meinen Mann von Freiberg aus, und er antwortete mir weiter nichts darauf, als daß die Frage meine Idee ihn wieder zu verlaßen, ihn sehr verstimmt hätte! – Ich schreibe |2 Dir das, darum, weil Du doch wohl daran zweifeln könntest, daß ich einsehe, es wäre wohl meine Pflicht, Dich Dir in jenem wichtigen Moment durch meine Gegenwart einen Trost zu geben. –

Es entsteht hier ein Kampf in meinem Herzen den Du verstehen und nachempfinden kannst; und Du wirst es darum verzeihlich finden, wenn ich noch nicht mit mir einig bin, in dem was ich thun oder unterlaßen soll! — Zuviel verlangt der Vater in seinem lezten Briefe an mich, bestimmt, daß ich Ende September, nach Berlin kommen soll um ihm ausziehen zu helfen . Abgerechnet daß, wie ich Dir schon neulich schrieb, es fast unmöglich ist mich jetzt gleich wieder von meinem Mann zu trennen, würde es ja auch den Leuten auffallen wenn ich immerfort auf Reisen wäre, meinen Mann und meine Haushaltung wenigstens scheinbar vernachläßigte — und es ist wohl ein wenig hart – vom Vater, daß er das so bestimmt verlangt! Auf jeden Fall aber, wärst Du meiner Hülfe bedürftiger als der Vater! – Der Himmel weiß wie es noch entschieden werden wird? –

Nun, meine liebste Schwester, auch etwas von mir – von der seelichen Moment, da ich wieder in den Armen |3 meines geliebten Mannes ruhte. Ich war von Freiberg aus mit einer Curländerinn deren Bekanntschaft ich dort gemacht, gereißt, und 3 Stunden vor Leipzig, im Dörfchen Belgershayn kam mein Mann mir entgegen – nahm mich aus dem ReiseWagen, in den seinigen, und rasch flogen wir den Thoren von Leipzig zu. Mit Entzücken trat ich wieder in unsere freundlichen Wohnung, in der mir alles wieder so neu und so lieb war. Ich hätte jeden [...] Stuhl, jeden Sofa küßen mögen! Warum giebt doch des Entbehren, selbst des edelsten Guts ihm einen neuen himmlischen Reiz! Festlich war alles geschmückt und aufgepuzt. Durch Scheuern und Waschen hatte sich die Marie nicht allein verewigen insinnuieren wollen – mit Kränzen von ihrer Hand geflochten war mein Zimmer behangen. Tausend kleine Einrichtungen waren in der Zeit getroffen die mir Freude machen sollten. Meine Speisekammer sogar hatte der liebe Mann mit Winter-Vorräthen – mit Eingemachten Bonen und Kirschen u. s. w. versorgt! –

Doch ich vergeße mich, meine gute Caroline, in meinen kindlichen Gefühlen. Was können Dich denn diese Kleinigkeiten intereßiren! – Eins weißt Du wohl noch nicht? – daß die gute Himly in |4 Berlin ein Kind hat. Ich hörte das schon in Dresden vom Vater, und hatte eine Freude darüber wie wenn mir selbst das höchste Gute verliehen wäre. Du wirst Dich noch ihres innigsten Wunsches und der beinah schon aufgegebnen Hoffnung erinnern, und darum wird Deine Freude, der meinigen gleich seyn. Ich habe aber auch durch Zufalleinen Brief von ihr erhalten, der mir unendlich lieb ist. Ich lege ihn Dir bey, weil Du sehen sollst wie sie sich Deiner erinnert, und Deines Glücks sich freut.

Nun lebe wohl, meine geliebte Caroline. Fest drücke ich Dich an mein Herz. Erhalte mir das Deinige, und lebe ewig ewig wohl und glücklich.

Deine
Tine

Schreib mir ja bald, und schicke mir etwas für Dein kleines Wesen, zu arbeiten. Grüße Deinen Mann herzlich von mir so wie der meinige Euch beyde herzlich grüßen läßt.

Wegen dem Gelde, – so ist es meinem Mann ganz gleich, auf welche Weise der Deinige so gütig seyn will es ihm zukommen zu laßen.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig, 26. August 1802, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0683


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.